Harmonie der Andersartigkeit
Boho als Zauberformel gegen Langeweile und Fernweh
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Es gibt sie noch, die Trends, die sich unabhängig vom Einfluss der Marketing-Experten auf dem Markt durchzusetzen scheinen. In den Wohnzimmern und sozialen Netzwerken breitet sich derzeit ein Virus aus, der das Interior Design ein Stück weit verändern dürfte: der Boho-Style. Auf der Kölner Möbelmesse IMM Cologne wurde er kürzlich erstmals vorgestellt. Was sich mit dem Vintage-Stil schon ankündigte, hat mit Boho seine (bisher) endgültige Form erhalten: ein Aufbegehren gegen die repräsentative Kultur des Wohnens in cleanen, auf Hochglanz polierten Schau-Zimmern. Beim Boho-Style darf gemischt werden, was auf den ersten Blick gar nicht recht zusammenzupassen scheint: Bunte Ethno-Muster neben modernen grafischen Designs, grobe Wollstoffe und feinstes Leder, an der Wand Schwarz-Weiß-Fotos von Hollywood-Stars neben schwarz-weißen Kühen, ein Korbtisch vom Flohmarkt begleitet von einem Eames-Chair – nichts scheint besser geeignet, cleane oder angestaubte Architekturen von Bauhaus bis 50er-Jahre aufzulockern.
Wenn auch der Minimalismus in letzter Zeit mit einer gemütlich gemilderten, skandinavisch-frischen Version einen angenehmen Charakter erhalten hat, gab es immer schon eine designinteressierte Community, die einem betont individuellen, unkonventionellen Wohnstil den Vorzug gab, in dem es nicht nur origineller, sondern auch weniger perfekt zugeht. Als Erben der Hippie-Kultur vermengen sie, was ihrer Meinung nach gut zusammengeht. Und da der modische Hippie-Chic als Boho-Style gerade wieder salonfähig geworden ist, bildet sich dieses Gestaltungsprinzip derzeit auch im Einrichtungsbereich als spezifische Mischung sehr origineller Trends ab.
Betont unabhängig
Kein anderer Einrichtungsstil zeigt sich so betont unabhängig vom architektonischen Rahmen wie der Boho-Style. Die einen orientieren sich am originalen Vorbild und streichen die Wände in gedeckten, auch gerne kräftigen Farben, während die anderen die Boho-Elemente lieber in skandinavisch-hell gehaltenen Räumen einsetzen. Altbauwohnungen mit hohen Decken eignen sich besonders für Boho, doch auch in einer ganz normalen Wohnumgebung oder in einer ungemütlichen Büro-Atmosphäre schafft man sich mit dem selbstbewussten Stil der „Bohème“ seinen eigenen (Frei-)Raum. Denn der Boho-Style folgt dem Vorbild der sogenannten Bohemiens, die im 19. Jahrhundert gegen das spießige Bürgertum mit einem betont zwanglosen und andersartigen Lifestyle rebellierten.
Eine aufgeräumte Optik, bei der Krimskrams und Gebrauchsgegenstände in Einbauschränken verschwinden, findet sich im authentischen Boho-Style nicht. Sämtliche Einrichtungselemente sind Solisten, die sich zu einem Chor zusammenfinden, der seine Harmonie in der Andersartigkeit der Stimmen findet. Boho ist die Antwort auf das Ideal von Slow Living, wo die Ästhetik der Leere eine schon fast meditative Qualität erhält. Boho wirkt dagegen laut und voll, gern auch mal schräg.
Naturmaterialien, Textilien und Anleihen aus exotischen Kulturkreisen
Freigeister und Lebenskünstler mögen Boho, weil er nicht viel vorgibt. Die Ethno-Anleihen stammen aus allen Teilen der Welt, Kissen aus alten Kelim-Teppichen werden zu Stoffen aus Indien und Decken aus Peru kombiniert. Accessoires und Textilien sind die unkomplizierten Elemente, mit denen Boho arbeitet. Alte Sofas und Récamieren werden durch Überwürfe, Hocker durch darüber drapierte schöne Stoffe aufgepeppt und der Couchtisch bei Bedarf durch ein großes, auf dem Pouf platziertes Metalltablett ersetzt. Dazu einige Beistellmöbel aus Rattan, Korbgeflecht, Geknüpftes und Gewebtes, Selbstgemachtes und viele Grünpflanzen – fertig ist der coole Look. Wer sein Zuhause umkrempeln will, ist mit Boho gut bedient.