METROPOLE VOM MITTELALTER BIS IN DIE DIGITALZEIT
Die Mitte finden: In Arnsberg ist das gar nicht so einfach – denn es gibt mehrere.
Glitzernde Landschaft in klarer, frischer Luft.
Zwar gehört seit 1975 Neheim-Hüsten offiziell zu Arnsberg. Doch wer von sich sagt, er sei Arnsberger, der meint mit großer Wahrscheinlichkeit das historische Arnsberg, auch Alt-Arnsberg genannt. Ansonsten ist man Neheimer oder Hüstener – nicht etwa Neheim-Hüstener. Keine Angst, komplizierter wird es nicht. Und bei aller Verbundenheit mit dem jeweiligen Ortsteil begreift man sich längst als Gesamtstadt, in der es eben nicht nur ein Zentrum gibt, sondern drei, wovon jedes seinen ganz eigenen Reiz verströmt.
Das historische Arnsberg etwa blickt auf 777 Jahre Stadtrechte zurück, und die lange Geschichte der Stadt ist noch heute präsent. Sie manifestiert sich etwa in der oberhalb der heutigen Stadt angesiedelten Schlossruine, in der bis zum Jahre 1371 die Grafen von Arnsberg regierten. Die Reste der mächtigen Burganlage wurden sorgsam restauriert, auch Teile der Verteidigungsanlagen unterhalb des Schlosses sind bis heute erkennbar – unter ihnen der berühmte grüne Turm. Ein Stück weiter hinab befindet sich der Oberfreistuhl der Feme.
Eine Blütezeit erlebte die Stadt im 14. Jahrhundert als Hauptstadt des kurkölnischen Herzogtums Westfalen. Ab 1816 war dann die charakteristische preußische Bauweise vorherrschend: Für die Beamten der königlichen Bezirksregierung wurde am Neumarkt ein prachtvolles Viertel im klassizistischen Stil unter der Regie von Friedrich Wilhelm II. und seinem Architekten Karl Friedrich von Schinkel gebaut. Zu den schönsten Bauwerken, die damals entstanden, zählen die Auferstehungskirche, der Glockenturm mit der barocken Haube, der Maximiliansbrunnen und das alte Arnsberger Rathaus.
Nicht weit entfernt warten mit dem Hirschberger Tor, der Propsteikirche und dem Kloster Wedinghausen weitere interessante Einblicke in die Vergangenheit. Die mächtige Propsteikirche ist die ehemalige Klosterkirche des unmittelbar dahinterliegenden Klosters Wedinghausen. Heute existieren noch zwei Flügel der ehemaligen Klosteranlage mit Sakristei, Kapitelsaal und der Grafenkapelle. Von 1794 bis 1803 war hier der Reliquienschrein der Heiligen Drei Könige aus dem Kölner Dom untergebracht. Heute verbindet ein Lichthof aus Glas Historie und Neuzeit.
„Alt-Arnsberg steht als Regierungs- und Gerichtsstandort immer wieder im harten Wettbewerb“, erklärt Bürgermeister Hans-Josef Vogel. „Deshalb ist die Weiterentwicklung des Standortes so wichtig. Wir machen zurzeit aus alten Straßenräumen moderne Stadträume, modernisieren den Bahnhofsbereich und unterstützen neues Wohnen oder neue Nutzungen. Wir haben früh freies WLAN im Stadtteil und in Stadtbussen möglich gemacht. Jetzt arbeiten wir unter ‚Young Arnsberg‘ für einen Bildungscampus an der Ruhr – auch weil der Stadtteil Arnsberg mit dem Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer und den IHK-Bildungseinrichtungen ein wichtiger regionaler Bildungsmittelpunkt ist.“
Hüsten im Aufwind
Viel getan wurde in den letzten Jahren auch in Hüsten: Seit 2009 wurde das Straßenbild des Stadtteils grundlegend verändert. Eine realistische Zukunftsperspektive für das Zentrum von Hüsten zu finden war seinerzeit der Anspruch der Hüstener Bürger, Initiatoren und Lokalpolitiker. Über die Notwendigkeit, durch den Rückbau der Heinrich-Lübke-Straße eine neue Infrastruktur zu schaffen, wurde lange debattiert. Mit einer Frequenz von 19.000 Fahrzeugen am Tag und hohem Lkw-Anteil gehörte sie zu den am stärksten belasteten Straßen der Region. Inzwischen ist die Verkehrsbelastung auf ein verträgliches Maß reduziert worden – ein wichtiger Schritt für mehr Aufenthaltsqualität.
Mit der Umgestaltung der Heinrich-Lübke-Straße und den angrenzenden Bereichen konnte ein positives Signal für den Standort gesetzt werden. So ist etwa am Hüstener Schützenwerth eine zukunftsfähige Kombination von Modemarkt, Gastronomie und Einzelhandel realisiert worden.
Bereits im Jahr 2001 wurde gegenüber des Neheim-Hüstener Bahnhofs die Villa Wesco eröffnet. In der ehemaligen Fabrikantenvilla aus der Gründerzeit ist ein Marken-Erlebnis-Zentrum mit Outlet und eigener Kochschule entstanden. Direkt an der Ruhr und dem Ruhrtalradweg gelegen, ist die Villa gerade in den Sommermonaten ein ideales Ausflugsziel. Und wer bisher dachte, dass es im Sauerland keine Sandstrände gibt, sieht sich getäuscht – denn ein solcher wird zum Sommer hin eigens angeschüttet.
Nicht zuletzt besitzt der Stadtteil mit dem SV Hüsten 09 auch einen Fußballverein, der immer wieder für sportliche Glanzlichter sorgte: Neben den Erfolgen eines fünfmaligen Südwestfalenmeisters in den Jahren 1929 bis 1933 gehörte die Saison 1977/78 sicherlich zu den  Meilensteinen in der Geschichte des SuS Hüsten 09, wie er vor der Fusion mit dem Hüstener SV im Jahre 1999 noch hieß. Zum Ende der Saison stieg der Klub in die höchste westfälische Spielklasse, der eingleisigen Amateur-Oberliga Westfalen auf, in der er bis 1986 spielte. Die Amateuroberliga Westfalen war zu damaliger Zeit die höchste Amateurklasse und agierte direkt unter der 2. Bundesliga. Kein Sauerländer Fußballverein hat bis zum heutigen Tage jemals in einer höheren Spielklasse gespielt. In dieser Zeit und auch danach gaben sich immer wieder Bundesligisten zu Vorbereitungsspielen im Stadion Große Wiese die Klinke in die Hand. Spiele von Sauerland-Auswahlen gegen Borussia Dortmund oder den FC Schalke 04 finden bis heute statt.
Neheim: modern und gesellig
Der im Nordosten Arnsbergs gelegene Stadtteil Neheim hat sich bereits vor vielen Jahren als geselliger Shopping-Mittelpunkt etabliert – und das auch über die Ortsgrenzen hinweg. Auch dank der Initiative des Verkehrsvereins „Aktives Neheim“ ist es gelungen, neben den großen Marken auch kleinere, inhabergeführte Geschäfte mit einem besonderen Angebot zu erhalten. Rund um die Fußgängerzone und Apothekerstraße gibt es viele ausgewählte Sortimente rund um Mode, Sport und Einrichtung zu entdecken. Hier lässt es sich entspannt shoppen, ohne dabei auf große Marken verzichten zu müssen. Neben dem ansprechenden Einzelhandel tut sich Neheim durch eine äußerst lebendige Veranstaltungskultur hervor. Viele jährliche Events wie Neheim live, das Marktfest und der Fresekenmarkt sorgen für Impulse; besonders beliebt ist das Angebot der verkaufsoffenen Sonntage, über die seit jeher auch viele Auswärtige nach Neheim gelockt werden.
So modern das Angebot auch ist – blickt man genauer hin, sind auch in Neheim überall Zeugnisse der langen Geschichte zu finden. Erstmals erwähnt wurde die Stadt auf einer Verkaufsurkunde im Jahr 1202. Rund 60 Jahre später bekam das damalige Dorf eine Befestigungsanlage mit den Burgmannshöfen und -häusern Schüngel im Ruhr-Möhne-Winkel, Freseken, Gransau und Drostenhof. Während einer Auseinandersetzung Arnsbergs mit der Grafschaft Mark Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der Fresekenhof gebaut. Von 1802 bis 1893 war hier das Gericht angesiedelt, nach dem Zweiten Weltkrieg fungierte er als Notunterkunft für Kriegsopfer. Heute ist er im Besitz der Stadt Arnsberg und wird hauptsächlich von Vereinen und für repräsentative Zwecke genutzt.
Von Kaisern und Künstlern
Vom Zentrum aus sind es nur wenige Minuten bis zum Kaiserhaus, dem ehemaligen Sitz der Kaiserschen Leuchtenfabrik. Über 100 Jahre lang werkelten dort zeitweise bis zu 1.500 Menschen und setzten Maßstäbe in Sachen Technik und Design. Mit der Schließung der  Firma im Jahr 1986 wechselten die einzelnen Gebäudeteile die Besitzer, und erst 2005 zog neuer Glanz ins alte Gemäuer. Im Zuge eines beispielhaften Strukturwandels entstand das heutige Kaiserhaus, ein hochmodernes Gewerbe- und Dienstleistungszentrum für junge, kreative Unternehmen aus dem gewerblichen und freiberuflichen Bereich. Heute ist es ein fester Bestandteil der heimischen Unternehmenslandschaft und trägt einen entscheidenden Teil dazu bei, dass das Möhnetal ein attraktiver Gewerbe- und Wirtschaftsstandort bleibt.
Mit der Sanierung des zum Gebäude gehörenden Möhneturms möchte die Arnsberger Wirtschaftsförderung die Erfolgsgeschichte des Kaiserhauses fortschreiben. Die Baumaßnahmen haben Mitte März begonnen und sollen Ende des Jahres abgeschlossen sein. „Ziel des Projektes ist es zum einen, über die zusätzlichen Hotelkapazitäten von weiteren 32 Zimmern in direkter Anbindung an das Kaiserhaus dessen Möglichkeiten der Nutzung zu erweitern und die Qualität des Veranstaltungszentrums nochmals zu steigern“, erklärt Wirtschaftsförderer Bernd Lepski. „Diese Entwicklung kommt sowohl den laufenden Seminaren als auch zukünftigen Veranstaltungsalternativen zugute.“ Das Konzept des Kaiserhauses zeigt, dass eine räumliche Konzentration von besonderen Dienstleistungsangeboten nicht nur den Standort Arnsberg stärkt, sondern auch Netzwerke wie das Digitale Forum Arnsberg entstehen können, die zusätzliche positive Synergieeffekte für die Unternehmen, die regionale Wirtschaft und auch die Stadt ergeben.
In direkter Nachbarschaft des Kaiserhauses befindet sich das Kunst-Werk. Im Laufe der Zeit ist aus der ehemaligen Produktionsstätte für Leuchten ein Zentrum für Freigeister geworden, das längst über die Region hinaus bekannt ist und als Treffpunkt der Arnsberger Kreativszene gilt. Künstler, Fotografen, Designer, Filmemacher, Musiker und Veranstaltungsplaner finden im Kunst-Werk optimale Raumverhältnisse und eine inspirierende Atmosphäre vor. Die Verbindung zwischen den im Kaiserhaus ansässigen Unternehmen und Agenturen sowie den Künstlern nebenan ist offensichtlich: Die Türen stehen offen, der Austausch ist rege.
Strahlkräftige Unternehmen
Seit 2005 findet im Kaiserhaus im Zwei-Jahres-Rhythmus auch die Lichtwoche Sauerland statt. Initiiert wurde sie von mehreren Unternehmen aus der Lichtbranche, die in der Region so dicht beieinanderliegen wie nirgends sonst. Zuletzt nahmen rund 40 Unternehmen teil und zeigten auf diese Weise, dass sie nicht nur Konkurrenten, sondern auch Nachbarn sind, denen der Standort wichtig ist. Längst haben die Beteiligten verstanden, dass sich die Kunden aus den großen Städten leichter ins Sauerland locken lassen, wenn ihnen das geballte Angebot der heimischen Hersteller und Dienstleister präsentiert wird. So zieht man gemeinsam an einem Strang – und begrüßt seine Kunden nicht mehr nur auf den großen Fachmessen, sondern auch vor Ort.
Alle wichtigen Einkäufer und der Fachhandel finden regelmäßig den Weg in die Lichtregion Sauerland, um sich ein Bild von den Neuheiten und Trends zu verschaffen. Zuletzt öffneten 44 Unternehmen ihre Showrooms. Ein Dutzend davon hat die Zusammenarbeit inzwischen noch auf eine andere Ebene ausgedehnt und mit dem Verein Lichtforum NRW eine neue Plattform für Unternehmen aus der Licht- und Beleuchtungsbranche gegründet. Mit Aus- und Weiterbildungsangeboten sorgt das Lichtforum NRW dafür, dass die Unternehmen aus der Region stets auf dem Laufenden bleiben und junge Menschen für das Thema Licht begeistern können. Denn wie in vielen anderen Branchen ist der Fachkräftemangel auch hier angekommen, und das Sauerland braucht dringend talentierten Nachwuchs mit lichttechnischer Kompetenz – die ersten vom Verein initiierten Kooperationen mit umliegenden Schulen und Hochschulen laufen bereits.
Gelebte Industriegeschichte
Wer tiefer in die Vergangenheit der heimischen Leuchtenindustrie eintauchen will, ist im Industriemuseum Werk Neheim an der richtigen Adresse. Im Gebäude der 1927 erbauten Firma Rösen & Robbert hat Klaus Fischer die wohl größte Sammlung der Neheimer Zeitgeschichte zusammengestellt. Seit Jahrzehnten widmet sich der Hüstener historischen Kostbarkeiten mit industriellem Hintergrund. Für den Gründer und Leiter des kleinen Museums ist es eine Herzensangelegenheit, das regionale Kulturgut für künftige Generationen zu erhalten.
Tatsächlich hat die Neheimer Industrie viele Pionierleistungen hervorgebracht, die es zu bewahren gilt. Leuchten spielen dabei eine zentrale Rolle: Ausgestellt werden unter anderem alte Werbegeschenke der Kaiserschen Leuchtenfabrik oder auch eine originale Karbit-Leuchte von Hugo Bremer. Insgesamt beherbergt das Museum mehr als tausend Exponate, Fotos und Rechnungen aus längst vergangenen Tagen, Verpackungen, historische Kataloge und vieles mehr. Die bunte Mischung verschiedenster Industriestücke, die vom Emaillewerbeschild der ehemaligen Arnsberger Brauerei ‚Löwenbräu‘ über ein uraltes Bügeleisen von Cloer bis hin zum Beerensammler der Firma Westermann & Co. die ganze Bandbreite der heimischen Industrie umfasst, ist so abwechslungsreich wie sehenswert. Zu den wertvollsten Ausstellungsstücken des Museums zählen die in Neheim gebauten RMW-Motorräder aus den Jahren 1928 und 1938 – eine echte Rarität. Die Türen des Werks öffnet Klaus Fischer auf Anfrage – kommen kann jeder, der sich für die Neheimer Industriegeschichte interessiert.
Grüne Umgebung
Natur erleben in einer industriell geprägten Stadt? In Arnsberg ist das kein Problem, die Stadt vereint die vermeintlichen Gegensätze mühelos. So gibt es rund um Alt-Arnsberg, Neheim und Hüsten unzählige Wanderrouten, die für Auswärtige und Einheimische gleichermaßen erlebenswert sind. Fauna und Flora sind vielfältig, wobei die Rotbuche die Charakterart der heimischen Wälder darstellt. Gerade im Bereich des Arnsberger Waldes bildet sie eindrucksvolle, teils urwaldartige Bestände.
Der Ehmsenweg beispielsweise verbindet Arnsberg und Sundern miteinander und führt von dort aus weiter nach Olpe. Er ist eine der Hauptwanderstrecken des SGV und nach seinem Gründer Forstrat Ehmsen benannt. Die circa 76 Kilometer lange Strecke ist als Qualitätsweg nach den Kriterien des Deutschen Wanderverbands zertifiziert und garantiert unvergessliche Erlebnisse. Die ersten Wegekilometer zwischen dem Startort Arnsberg und Sundern gelten als besonders abwechslungsreich. Auch für Kinder interessant ist der Rundweg durch den Kurfürstlichen Thiergarten in Arnsberg, der auf spannende Art und Weise kulturhistorische Besonderheiten erlebbar macht.
Den Wandel gestalten
Bürgermeister Hans-Josef Vogel richtet den Blick allerdings lieber nach vorn. Eines seiner Ziele ist es, die Gesamtstadt Arnsberg zur Nummer eins in Sachen bürgerschaftliches Engagement zu machen. Durch gezielte Kooperationen der Verwaltung mit den Bürgern sollen Innovationen und neue Entwicklungen entstehen. „Es geht um Systemwandel. International sprechen wir von ‚Citizen Powered Cities’, also von Städten, die von den Bürgern angetrieben werden. Wir sammeln hier gerade Erfahrungen durch die Koproduktion der Verwaltung mit den Neuen Nachbarn Arnsberg, einer beispiellosen bürgerschaftlichen Initiative von Flüchtlingen.“ Den offensichtlichen Herausforderungen unserer Zeit – der Digitalisierung, dem demografischen Wandel, der Integration von Zuwanderern und engen finanziellen Gestaltungsspielräumen – begegnet der Bürgermeister mit Optimismus. „Mit einem Denken, das nicht defizitorientiert ist, sondern die Potenziale und die Zusammenhänge sieht und zur Entfaltung bringt. Gerade in der Stadtentwicklung, aber auch in den anderen Lebensbereichen. Die Digitalisierung etwa ist nicht nur eine Herausforderung, sondern beinhaltet auch Lösungen beispielsweise für die Gestaltung des demografischen Wandels. Hier ist viel zu tun. Aber es sind spannende Aufgaben.“