LASS KRACHEN!
Hallenberg ist zwar ziemlich klein – genau genommen sogar die zweitkleinste Stadt in Nordrhein-Westfalen – dafür aber einmal im Jahr ordentlich laut.
Nach der Krachnacht werden in vielen Ortsteilen große Feuer entzündet.
Immer in der Nacht zum Ostersonntag erlebt das sonst so ruhige Städtchen mit seinen Ortsteilen Hesborn, Braunshausen und Liesen und insgesamt etwa 4.400 Einwohnern, das wahrscheinlich lauteste Spektakel des Sauerlandes – denn dann treffen sich die Burschen zur traditionellen „Krachnacht“. Kurz vor Mitternacht erlischt die Straßenbeleuchtung und nachdem die Kirchturmuhr zwölf geschlagen hat, wird vor der Kirche ein nur hier überliefertes Passionslied gesungen. Sobald der letzte Ton verklungen ist, setzt ein ohrenbetäubender Lärm ein und der Zug setzt sich in Bewegung: Vorab gehen die Fackelträger gefolgt von drei großen, erleuchteten Kreuzen, Lampionbäumen, Klapper- und Rasselträgern, der Burschentrommel und etlichen sonstigen „Krachwagen“. Die Route durch die Straßen und Gassen Hallenbergs ist seit Jahrhunderten unverändert. Etwa anderthalb Stunden dauert das so laute wie archaische Spektakel, das Jahr für Jahr zahlreiche Besucher in den Hochsauerlandkreis lockt. Dann gehen die Lichter der Stadt wieder an als wäre nichts gewesen.
Ansonsten geht es am südöstlichen Rand des Sauerlands, im auslaufenden Felsmassiv des Rothaargebirges unmittelbar an der hessischen Grenze, beschaulicher zu. Die Hallenberger Altstadt lädt mit ihren schmalen, verwinkelten Gassen und sehenswerten Kirchen wie der Pfarrkirche St. Heribert von 1558 und der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt aus dem 12. Jahrhundert zum entspannten Bummeln und Entdecken ganz ohne Radau ein.
Der geschichtsträchtige Stadtkern mit dem Marktplatz und dem Petrusbrunnen von 1756 zeigt noch heute im typisch ringartig angelegten Straßenverlauf seinen Ursprung um die Burg und ist mit zahlreichen denkmalgeschützten Fachwerkhäusern bestückt. Ein Überbleibsel aus den ehemaligen Hallenberger „Quartalen“ ist ein Backhaus aus dem Jahr 1646: Hier wird heute noch jeden Samstag Steinofenbrot gebacken und zum Verkauf angeboten.
Die Erhaltung des historischen Kerns hat für die Stadt schon seit vielen Jahren größte Bedeutung. Hallenberg zählt heute insgesamt 52 Baudenkmäler, wobei viele Gebäude durch eine sinnvolle Folgenutzung in ihrem Bestand gesichert werden konnten. „Ein gutes Beispiel ist das 500 Jahre alte „Karl-Wilmches Haus“, einer der größten Höfe in der Hallenberger Altstadt, der aufgrund des notwendigen Sanierungsbedarfs viele Jahre lang leer stand: Hier hat nach der Sanierung eine Frühstückspension mit Showküche und Hof-Café eröffnet“, erklärt Holger Schnorbus als Sprecher der Hallenberger Stadtverwaltung.
In den letzten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Stadt an der Nuhne von einem landwirtschaftlich geprägten Ort zu einer Gemeinde mit einem überdurchschnittlichen gewerblichen Beschäftigtenanteil gewandelt. In dieser Zeit haben sich im Stadtgebiet rentable mittelständische Industrie- und Handwerksbetriebe entwickelt. Mit etwa 1.800 Arbeitsplätzen hat Hallenberg im Verhältnis zur Einwohnerzahl eine der höchsten Beschäftigtenquoten in ganz Nordrhein-Westfalen. Die wirtschaftlichen Schwerpunkte liegen dabei in den Bereichen Automobilbau, Möbelindustrie und Logistik. Die örtliche Industrie ist international ausgerichtet und beliefert ihre weltweiten Zielmärkte aus dem Hochsauerland.
Hauptarbeitgeber sind die Firma Kusch+Co Sitzmöbelwerke, die zu den führenden Sitzmöbel- und Objektherstellern Europas gehören, sowie der Leichtmetallräderhersteller Borbet – beide Unternehmen haben maßgeblich zum wirtschaftlichen Wandel des Ortes beigetragen. Darüber hinaus sind der Maschinen- und Anlagenbauer Siepe, Logistikunternehmen wie die Firma Kleinwächter Silotransporte und diverse landwirtschaftliche Betriebe von Bedeutung.
„Kurze Entscheidungswege innerhalb einer kleinen, schlagkräftigen Stadtverwaltung und ein breites ehrenamtliches Engagement der gesamten Bevölkerung bilden die Grundlage für die schnelle Umsetzung von Projekten in Hallenberg“, schildert Holger Schnorbus. Nichtsdestotrotz steht man auch dort vor großen Herausforderungen, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben: So sank die Gesamteinwohnerzahl der Stadt in einem Zeitraum von 20 Jahren um fast 600 Einwohner, was einem Bevölkerungsrückgang um etwa zwölf Prozent entspricht.
Über den mangelnden Zulauf von Gästen muss man sich hingegen keine ernsthaften Sorgen machen: Dank der besondere Naturbezogenheit der Stadt bietet sie beste Voraussetzungen für Wandererlebnisse, die für alle Altersklassen und die unterschiedlichsten Ansprüche interessant sind. Weite Hochplateaus mit typischen Busch- und Strauchlandschaften und saftigen Wiesen wechseln sich ab mit den höchsten Bergen des Sauerlandes und ihren tiefgrünen Wäldern.
Etwa vier Fünftel der 6.500 Hektar großen Gemeindefläche sind mit verschiedenen Naturschutzkategorien überplant. Dazu gehören das Europäische Vogelschutzgebiet Medebacher Bucht und das FFH-Gebiet Hallenberger Wald. Die Waldlandschaft und die offene Medebacher Bucht werden durch zahlreiche Gewässer verknüpft, und die satten Grünlandtäler dringen bis tief in das Waldgebirge vor. Hier gedeihen artenreiche Mähwiesen, die nicht nur in Deutschland zu den gefährdeten Lebensräumen gehören, sondern in ganz Europa.
Dank der etwas abgeschiedenen geografischen Lage blieb Hallenberg von Flurbereinigungsverfahren weitgehend verschont, so dass die Landschaft heute von einer wohltuend vielfältigen Natur geprägt ist. Boten die geografischen und klimatischen Bedingungen mit sauren Böden und geringen Niederschlägen den Landwirten aus der Region früher nur karge Erträge, zeigt sich dafür heute eine umso reichere Kulturlandschaft mit vielen Wiesen und Weiden, Bergheiden, Feldgärten, Hecken und blütenreichen Wegrainen. Hier fühlen sich Vögel wie Raubwürger, Neuntöter und Rebhühner wohl, während Eisvögel, Libellen und Wasseramseln im Bereich der naturbelassenen Fließgewässer beobachtet werden können. In den zahlreichen Buchenwäldern finden sich darüber hinaus zahlreiche Rotmilane und Schwarzstörche.
„Hallenberg profitiert von dem gegenwärtigen Trend zum Natururlaub in besonderer Weise, da die örtlichen Gegebenheiten den Besuchern genau dieses Naturerlebnis bieten können“, erklärt Holger Schnorbus. „Hierbei ist es allerdings wichtig, das Gästeaufkommen in ökologisch sensiblen Bereichen durch besondere Angebote wie etwa Naturwege zu lenken. Solche Naturwege wurden in den Bereichen Liesetal und Nuhnewiesen in Zusammenarbeit mit der Biologischen Station Hochsauerland eingerichtet und werden von den Besuchern äußerst gut angenommen.“ Neben dem klassischen Wanderurlaub auf den örtlichen Wander-, Themen- und Naturwegen ist eine Vielzahl von weiteren sportlichen Aktivitäten wie etwa Nordic-Walking, Radfahren, Klettern und Wintersport stärker in den Fokus der Gäste gerückt – und nicht zuletzt wird auch der Gesundheitstourismus immer häufiger nachgefragt.
Dreh- und Angelpunkte des kulturellen Leben Hallenbergs sind die Freilichtbühne sowie das Informationszentrum Kump im historischen Stadtkern. Mit ihrer beeindruckenden Naturkulisse bietet die Freilichtbühne Hallenberg einen perfekten Rahmen für eindrucksvolle Sommertheater-Erlebnisse. 140 Amateurspieler und zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter kümmern sich vom Bühnenbau über die Kostümschneiderei bis hin zu Verwaltung und Technik um alle Belange der Spielstätte – lediglich die Regie liegt in professionellen Händen. Besonders bekannt wurde die Freilichtbühne durch die „Passion“, die 1950 zum ersten Mal aufgeführt wurde und seitdem alle zehn Jahre auf dem Spielplan steht.
Seit seiner Eröffnung im Jahr 2006 hat sich mit dem Informationszentrum Kump ein weiterer überregional bekannter Veranstaltungsort etabliert: Hier fanden unter anderem Ausstellungen von Armin Mueller-Stahl, Günter Grass und Suzanne von Borsody statt.