UND EWIG LOCKT DER SEE
Traditionsbewusst und zukunftsorientiert zugleich: So präsentiert sich die Kreisstadt Olpe im südlichen Sauerland. In diesem Jahr wurde zudem ein wichtiges Jubiläum gefeiert.
Natürlich ist unter 25.000 Einwohnern der eine weltoffener, der andere bodenständiger veranlagt. Ob dabei die 15.000 Einwohner im Stadtkern moderner sind als die 10.000 Einwohner in den umliegenden Dörfern? Wir wissen es nicht. Das zu recherchieren hätte nämlich eine kleine Ewigkeit gedauert, schließlich gehören stolze 41 Dörfer zum Stadtgebiet. Aber im Grunde genommen ist das auch nicht weiter wichtig, denn die Mischung ist ausgewogen und das Lebensgefühl stimmt in Olpe.
Zugegeben: Das könnte auch am Biggesee liegen. Eine Stadt am Wasser ist eben immer etwas Besonderes, und in Olpe ist die Verbindung zwischen Zentrum und See sehr eng. Der Obersee reicht fast bis in die Altstadt hinein, zwischen dem zentralen Marktplatz und dem Ufer liegen gerade mal 300 Meter.
Genau 50 Jahre ist es her, dass der See nach achtjähriger Bauzeit fertiggestellt werden konnte. Dass die Stadt sich auch ohne die riesige Wasserfläche touristisch so gut entwickelt hätte, darf getrost bezweifelt werden: Kaum ein Olper würde den Stellenwert des Sees für die gesamte Region bestreiten. Umso gebührender wurde natürlich das 50-Jährige gefeiert, in dessen Rahmen zahlreiche Veranstaltungen und Events sportlicher wie kultureller Art stattfanden.
Es ist jedoch deutlich spürbar, dass der See nicht nur für diesen besonderen Anlass noch einmal schnell „herausgeputzt“ wurde. Bereits im Vorfeld der Regionale 2013 hatte man in Olpe ambitioniert an neuen Freizeit- und Tourismusangeboten gearbeitet. Diese haben sich inzwischen durchweg gut entwickelt, berichtet Tatjana Schefers vom Stadtmarketingverein Olpe Aktiv. „Es wurde wichtige touristische Infrastruktur fertiggestellt. Dazu gehören Rast- und Ruheplätze, durchdachte Beschilderungen mit Infotafeln und Routenhinweisen sowie mehrere Badestellen an Bigge- und Listersee.“ Besondere Aufmerksamkeit galt außerdem der Entwicklung des Ortes Sondern als touristischer Anlauf- und Aufenthaltspunkt am See.
Heute kommen rund vier Millionen Tagestouristen pro Jahr in den Kreis Olpe, man verzeichnet etwa 130.000 Übernachtungen, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 2,3 Tage. Ganz klar: Neben beruflich motivierten Aufenthalten steuern viele Kurzurlauber die Kreisstadt an, um die Angebote rund um Wasser, Wandern, Radfahren und Camping zu nutzen. „Die Gäste werden immer reiseerfahrener und stellen insofern auch höhere Ansprüche, sind insgesamt qualitätsbewusster“, schildert Tatjana Schefers. „Und sie kommen kurzentschlossener – oft gehen keine langfristigen Buchungen voraus.“ Um den Anforderungen der Besucher gerecht zu werden, wird natürlich auch weiterhin kontinuierlich an der Angebots- und Servicequalität sowie der Infrastruktur gearbeitet.
Das gilt übrigens auch für die Wintersportmöglichkeiten, die sich in Olpe eröffnen. Zwar gibt es anderweitig noch höhere Berge im Sauerland, doch im Skigebiet Fahlenscheid können auf etwa 600 Metern Höhe Abfahrt und Langlauf betrieben sowie Skiwanderungen unternommen werden. Um die Schneesicherheit zu verbessern, wurde bereits vor einer Weile in  moderne Beschneiungsanlagen investiert, und im Ortsteil Thieringhausen sorgt der Skiclub Olpe außerdem für maschinell gespurte Langlaufloipen.
Neue Entwürfe und alte Brauchtümer
Bereits lange bevor der Biggesee geflutet wurde, war Olpe ein lebendiges Städtchen, dessen Wurzeln weit zurückreichen. Im Spätmittelalter wohnten etwa 400 Menschen in der Stadt innerhalb des ovalen Mauerrings auf einer Siedlungsfläche von etwa drei Hektar. Die Mauern wiesen drei große Stadttore und einige Rundtürme auf, zu Füßen des ummauerten Stadthügels entwickelten sich später drei Vorstädte: Die Felmicke, das Weierhohl und die Unterste Vorstadt – Letztere, zwischen Bigge und Stadtmauer gelegen, wurde nach dem Stadtbrand von 1634 nicht wieder aufgebaut.
Fährt man heute in den Stadtkern von Olpe ein, sieht man Straßenzüge, die am Reißbrett konstruiert wurden. Nachdem bei einem Großbrand im Jahr 1795 die bis dahin gewachsenen Strukturen fast komplett zerstört wurden, entwarf sie der kurkölnische Baumeister und Hofkammerrat Johann Adam Stahl auf der Basis des klassizistischen Formgefühls neu – und stieß seinerzeit auf erbitterten Widerspruch der Bürgerschaft. Heute entspricht der aufgeräumte Eindruck, den das Zentrum hinterlässt, wieder besser dem Zeitgeist. Nicht zuletzt verleihen die vielen Bäume, die die Straßen und Plätze säumen und Olpe seinerzeit den Ruf als „Stadt der 1000 Linden“ verschafften, der City ein freundliches Gesicht.
Da Johann Adam Stahl die Mauer, die den Altstadthügel stützt, stehen ließ, prägt dieser Rest der mittelalterlichen Befestigung noch heute das Stadtbild. Einige markante Bauwerke lassen außerdem das „alte Olpe“ durchschimmern: etwa der Hexenturm aus dem 14. Jahrhundert. Das Pannenklöpper-Denkmal auf dem Marktplatz erinnert hingegen an die Zeit, in der die Olper Pfannenschmiede für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgten: Zwischen 1500 und 1800 waren schmiedeeiserne Waren ein begehrtes Gut bis ins benachbarte Ausland hinein. Der Zweite Weltkrieg und das NS-Regime hingegen trafen die Stadt hart: Über 2.000 Spreng- und Brandbomben sowie zahlreiche Artilleriegranaten fielen auf Olper Boden. Von den rund 1.000 Wohnhäusern des Jahres 1945 waren bei Kriegsende mehr als 100 zerstört. Auch von den ehemaligen Zwillingstürmen der Martinuskirche ragt heute nur noch einer in den Himmel. Ein Bombentreffer beschädigte den zweiten so stark, dass er abgetragen werden musste.
Angesichts der vielgestaltigen Katastrophen, die sich in der Stadt ereigneten, ist es kaum verwunderlich, dass einige Brauchtümer zum Schutz der Olper bis heute hochgehalten werden, beispielweise das Agatha-Gelübde und die Lichterprozession. Erstmals im Jahr 1665 legten die Einwohner aus Angst vor weiteren Feuersbrünsten das Agatha-Gelübde zu Ehren der Heiligen St. Agatha aus Sizilien ab. Darin geloben sie zu fasten, Almosen zu geben und jedes Jahr eine Lichterprozession abzuhalten. So begeht die Stadt alljährlich Anfang Februar die „Äußere Feier“ des St.-Agatha-Festes. Die Erneuerung des Gelübdes erfolgt durch den Bürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung.
Von Handelsstraßen und Autobahnen
Wald, Erz und Wasser stellten einst die Grundlage für Wirtschaft und Gewerbe dar, die sich in Olpe ansiedelten. Der Haupterwerbszweig der Olper Bürger war seit dem späten Mittelalter nachweislich die Metallverarbeitung. Eisenhütten- und Hammerwerke, Pfannenschmieden und Lohgerbereien bestimmten das Bild. Das Breitschmiedeamt der Gerichte Olpe, Drolshagen und Wenden wurde 1669 gegründet, die Rohstoffe für die Hammerwerksbetriebe und Schmieden stammten aus den Erzgruben und von Meilern in der Umgebung. Die Geschäfte der Olper Pfannen-, Blech-, Kessel-, Huf- und Waffenschmiede florierten, wobei die Produkte überwiegend in den Kölner Raum verkauft wurden. Die günstige Lage an der Kreuzung zweier alter Handelsstraßen wirkte sich dabei äußerst positiv auf die wirtschaftliche Struktur der Stadt aus: Während der Römerweg von Bonn nach Paderborn führte, verband die Eisenstraße Frankfurt mit Dortmund.Bis heute weisen viele mittelständische Metallgießereien, Rohrziehereien, Gesenkschmieden und Armaturenfabriken auf die wirtschaftlichen Ursprünge der Stadt zurück. Und auch in der Gegenwart hilft die gute Infrastruktur – was früher die Handelswege waren, sind heute die nahe gelegenen Autobahnauffahrten. Ergänzt wird das wirtschaftliche Geschehen der Kreisstadt durch ein reich gegliedertes Handwerks-, Handels- und Dienstleistungsgewerbe. „Der Wirtschaftsstandort Olpe ist überwiegend dienstleistungsorientiert“, berichtet Torsten Kaufmann von der städtischen Wirtschaftsförderung. Die Arbeitslosenquote liegt mit derzeit 4,4 Prozent deutlich unter dem Landesdurchschnitt und die für einen nachhaltigen Erfolg so wichtigen Familienunternehmen des Mittelstandes prägen die Unternehmenskultur. „Durch einen gezielten Wissens- und Technologietransfer profitieren Unternehmen aus Olpe insbesondere von den Impulsen aus der Universität Siegen“, schildert Torsten Kaufmann. „Die strukturell gute Situation ermöglicht günstige Entwicklungsbedingungen und Innovationen.“
Viele Angebote und kaum Leerstand
Hohe Investitionen in Infrastruktur und Stadtentwicklung haben dafür gesorgt, dass sich das Olper Zentrum in den vergangenen Jahren erheblich verändert hat, ohne dass jedoch das Gesicht der Stadt verloren gegangen wäre. Tatjana Schefers berichtet von einer positiven Einzelhandelssituation mit vielen inhabergeführten Fachgeschäften, einem geringen Filialisierungsgrad, lebendiger Gastronomie und niedrigen Leerstandsquoten. „Zuletzt konnten wir einen erheblichen Kaufkraftzufluss in Höhe von etwa 11 Millionen Euro pro Jahr verzeichnen“, freut sich die Marketing-Frau. Als wichtiges Element des sozialen Lebens gilt der Wochenmarkt, der sowohl die Olper Bürger als auch Kunden aus der gesamten Region am Samstagvormittag in die Innenstadt lockt. „Dieser Markt schafft eine angenehme Einkaufsatmosphäre und eine hohe Aufenthaltsqualität, von der auch der ansässige Einzelhandel und die Gastronomie profitieren“, so Schefers.
Um die Stadt auch in Zukunft lebendig und attraktiv zu halten, sind weitere Maßnahmen geplant: Zurzeit steht die Entwicklung neuer Innenstadtbereiche im Fokus der Stadtentwicklung. Mit geschickter Verkehrsführung, Besucherleitsystemen und durchdachten Bebauungsplänen will man sicherstellen, dass das bestehende Zentrum dabei nicht geschädigt, sondern gestärkt wird.