ZENTRUM IM WANDEL
Wer sich von Meschede aus auf den Weg über den „Stimmstamm“, einen von Wäldern umgebenen Gebirgspass macht, landet früher oder später in Warstein.
Beste Aussichten bietet der Lörmecke-Turm im Warsteiner Wald.
Zwischen Möhne- und Hennesee liegt die Stadt im Süden des Kreises Soest. „1975 wurden wir im Rahmen der kommunalen Neuordnung abgekoppelt vom Kreis Arnsberg“, erzählt Bürgermeister Manfred Gödde. „Trotzdem fühlt sich die Mehrzahl der Warsteiner weiterhin durch viele Dinge mit dem Sauerland verbunden – weit über den Schützenbund und die Handwerkskammern hinaus.“ Unumstrittenes Aushängeschild der Stadt ist seit Jahrzehnten die Warsteiner Brauerei, die sich vom Handwerksbetrieb zum modernen Markenerlebniszentrum entwickelt hat und pro Jahr rund 50.000 Gäste empfängt.
Zu einem ganz besonderen Publikumsmagneten hat sich darüber hinaus die Warsteiner Internationale Mongolfiade entwickelt, die der langjährige Brauereichef und begeisterte Ballon-Pilot Albert Cramer 1986 gründete und die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. „Bei gutem Wetter spült die Veranstaltung an zehn Tagen rund 200.000 Besucher in unsere kleine Stadt“, so Manfred Gödde. Der Bürgermeister freut sich aber nicht nur über den punktuellen touristischen Aufschwung: „Wenn man morgens aus dem Fenster guckt und an die 100 Ballons über einem stehen, ist das einfach ein gigantisches Bild.“
Darüber hinaus ziehen auch Wildpark, Tropfsteinhöhle und der Lörmecke Turm, dessen Aussichtsplattform auf 580 Metern über NN an klaren Tagen ein wunderbares Panorama über Eversberg, Meschede, Bestwig und Warstein bietet, über das Jahr viele Besucher an. Auch die Architektur des Turms verweist übrigens auf die ortsansässige Brauerei: Die über Kreuz geführten Rundhölzer ergeben die Silhouette eines überdimensionalen Bierglases.
Während es in den meisten der neun Warsteiner Ortsteile meist recht beschaulich zugeht, vollzieht sich im Zentrum zurzeit ein Wandel. Geplant sind umfassende Umbaumaßnahmen, die mit Fördermitteln des Landes umgesetzt werden. In der Nähe des Rathauses soll beispielsweise das sogenannte Domviertel neu gestaltet werden. Verhandlungen mit den Mietern laufen, und wenn es nach dem Bürgermeister ginge, könnten die Bagger anrollen. Auch die Inhaber der gut sortierten Fachgeschäfte, die es in der kleinen Einkaufsstraße durchaus gibt, dürften die geplante Aufwertung des Stadtkerns begrüßen. „Es wäre natürlich schön, den vorhandenen Leerstand zu reduzieren“, meint Manfred Gödde. „Besonders Ladenlokale zwischen 40 und 50 Quadratmeter Größe sind schwer zu vermieten, aber da sind wir hier in Warstein kein Einzelfall. Der Handel muss sich die Frage stellen, wie er sich verändern und verbessern kann. Wenn das Angebot interessant ist, wird vor Ort gekauft“, ist der Bürgermeister überzeugt.
Ein weiteres Themenfeld ist die Zeit nach Beendigung des Steinabbaus. Warstein verfügt über ein natürliches Vorkommen an reinem Kalkstein, große Steinbrüche prägen das Bild der Stadt. Wo nicht mehr gearbeitet wird, gehen heute Kletterer die Wände hoch. An weiteren Umnutzungen der entsprechenden Areale arbeiten Fachingenieure, doch auch die Bevölkerung wird in den Gestaltungsprozess der Stadt eingebunden – so  gibt es etwa Arbeitsgruppen, die sich mit der Offenlegung von Bachläufen und ähnlichen Maßnahmen beschäftigen. Bürgermeister Gödde ist angetan – nur dauert es ihm meistens ein wenig zu lange mit der Bürokratie und den Genehmigungen. „Einfach mal machen, das kann eine Kommune eben nicht“, bedauert er.
Ansonsten wäre das größte Problem der Stadt Warstein wohl längst gelöst: die leidige B 55 – eine Hauptstraße, die mitten durch die Stadt führt. „Jeden Tag kommen darüber 20.000 Fahrzeuge direkt durch Warstein. Ein unhaltbarer Zustand“, findet Manfred Gödde. Doch auch hier müssen dicke Bretter gebohrt werden, die Feinabstimmung zwischen Straßen NRW, Ministerium, Bundesumweltamt und BUND ist ein Großprojekt. „Aber Kopf in den Sand stecken gibt’s nicht, es muss weitergehen“, gibt sich Manfred Gödde hartnäckig.
Der Ortsteil Belecke beherbergt die meisten Industrieunternehmen der Stadt, darunter mit der Infineon AEG einen Weltmarktführer und viele gesunde Unternehmen unter anderem aus der kunststoffverarbeitende Industrie. „Die Arbeitslosenquote liegt unter 5 Prozent“, berichtet Manfred Gödde, spricht allerdings im gleichen Atemzug ein weit verbreitetes Problem an: „Fachkräfte im Bereich Elektronik sind allerdings auch hier Mangelware.“
Und wer jetzt denkt, der Warsteiner blicke nicht über den Tellerrand, der irrt. „Die Völkerverständigung wird hier wirklich gelebt“, dementiert Manfred Gödde das weitverbreitete Vorurteil, die Sauerländer seien nicht sonderlich weltoffen. So werden vier Städtepartnerschaft seit vielen Jahren intensiv gepflegt, im Mai wird sich eine Delegation aus Warstein mit vier Bussen auf den Weg in die französische Stadt Saint-Pol-sur-Ternoise machen, mit der es seit den Sechzigerjahren eine enge Verbindung gibt. Auch mit Pietrapaula besteht reger Austausch. Aus der kalabrischen Stadt gingen in den Sechzigerjahren viele Gastarbeiter nach Warstein, wo sie etwa in den Belecker Schmiedebetrieben eingesetzt wurden. Das hat Spuren hinterlassen, weiß Manfred Gödde: „Pietrapaula hat heute 800 Einwohner – wenn dort fünf Opas auf der Bank sitzen, sprechen vier von ihnen deutsch.“