Erfolgreich zwischen Tradition und Zukunft
Kreis Olpe ist „Deutschlands Industrieregion Nr. 3“
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Es mag verwundern, wenn der Kreis Olpe auf seiner offiziellen Webseite als „Deutschlands Industrieregion Nr. 3“ bezeichnet wird. Schließlich ist doch gerade auch der Tourismus hier immer schon ein wesentlicher Wirtschaftszweig gewesen. Bei dem Begriff Industrieregion kommen einem ja eher Bilder des Ruhrgebiets der 1960er-Jahre in den Sinn. Tatsächlich liegt hier aber gar kein Widerspruch. Im Gegenteil, es ist eine Besonderheit dieses Kreises, Tradition und Moderne auf bemerkenswerte Weise unter einen Hut zu bringen.
Vergleichsweise wenig Menschen leben hier. Von der Einwohnerzahl her ist der Kreis Olpe mit seinen rund 135.000 Bürgern der kleinste Kreis in Nordrhein-Westfalen. Unter den zahlreichen Familienunternehmen, deren Firmengeschichte oft auf bis zu sechs Generationen zurückreicht, sind aber einige erfolgreiche Global Player. Eindeutig liegt die Kernkompetenz Olpes im Bereich des leistungsfähigen und diversifizierten Sektors mit Schwerpunkt in Metall- und Elektroindustrie. Als Zulieferer der Automobilindustrie hat man sich hier auf Spitzentechnologie in verschiedenen Bereichen spezialisiert. Für die Beschäftigungsdynamik sind darüber hinaus Unternehmen der Sanitär- und Armaturenindustrie, Hersteller von Befestigungselementen sowie Betriebe der Kunststoffverarbeitung, die Teile für die Konsumgüterproduktion oder den Anlagen- und Maschinenbau liefern, verantwortlich. Im Vergleich zum Vorjahr war die Arbeitslosenquote von November im Kreis von 3,6 auf 3,1 Prozent gesunken. Bemerkenswert dabei: Von den 15- bis 20-Jährigen sind derzeit nur 1,3 Prozent ohne Job. Die Olper Wirtschaft brummt, und das gerade weil sie so eine lange Geschichte hat.
Mitarbeiter der in Olpe ansässigen Kemper GmbH & Co KG im Herbst auf der Electronica India in Bangalore (Foto: Quelle: Kemper GmbH & Ko KG)
Olpe kennt man auch in Indien
Ein gutes Beispiel dafür ist der 1864 gegründete Familienbetrieb der Gebrüder Kemper. Mit drei technologisch anspruchsvollen Produktionssparten hat sich das Unternehmen als feste Größe auf dem internationalen Markt etabliert. Immer schon ist hier mindestens ein Familienmitglied in der aktuellen Geschäftsführung vertreten. Vom Firmensitz in Olpe gelenkt, beschäftigt Kemper weltweit fast 1.000 Mitarbeiter und erzielte 2017 einen Jahresumsatz von 305 Millionen Euro. Hochzufrieden zeigte man sich noch im Herbst mit dem eigenen Auftritt auf der electronica India, der internationalen Messe für elektronische Bauelemente, Materialien und Produktionsmaschinen in Bangalore. Für Kemper war die Teilnahme an dieser Messe immens wichtig, weil man sich so noch einmal klar zum indischen Markt bekennen konnte. Das wurde auf der anderen Seite wohl wahrgenommen. Wirklich alle Kunden aus dem Bereich Südindien seien mit verschiedensten Delegationen vor Ort gewesen, meldete Kemper anschließend stolz. Von Olpe aus sind Produkte innerhalb von fünf Tagen beim Kunden, sogar wenn der in China sitzt. Und ein Festhalten am Standort ist dem Unternehmen wichtig. Gerade erst wird an einer weiteren riesigen Halle am Stadtrand von Olpe gebaut, die Werk II erweitern soll.
Standorttreue ist Ehrensache
Ein ähnliches Bekenntnis zur Region gab es im Frühsommer auch von dem seit 1899 existierenden Unternehmen Viega. Der anerkannte Systemhersteller von Produkten für die Installationstechnik investierte einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in ein neues Schulungszentrum in Attendorn. Mit Blick auf den Klimawandel setzt man bereits beim Bau auf Nachhaltigkeit. Das Gebäude nutzt regenerative Energien und wird so mehr Wärme und Strom produzieren können, als es verbraucht. Auf insgesamt 12.000 Quadratmetern gibt es dann Platz, den das bisherige Seminarcenter einfach nicht mehr hatte. Über 10.000 Besucher durchlaufen jährlich Schulungen für die Produkte. Wie so viele Unternehmen im Kreis Olpe setzt man auch hier voll auf die Nachwuchsförderung. Während woanders über den Fachkräftemangel geklagt und gerade im Dezember noch deswegen in der Regierung über ein Einwanderungsgesetz gestritten wird, packt man im Kreis Olpe an. Ohnehin hat Viega unter seinen weltweit 3.500 Mitarbeitern über 150 Auszubildende in 17 verschiedenen Ausbildungsberufen. Mit praxisorientierten Seminaren im neuen Zentrum in Attendorn will man weitere Qualifizierungsmaßnahmen anbieten.
Fachkundiger Nachwuchs hausgemacht
Wer auch künftig international bestehen will, tut gut daran, rechtzeitig in die Zukunft zu blicken. Unternehmen der Region würden nicht über viele Jahrzehnte so eine erfolgreiche Geschichte schreiben, wenn sie das versäumt hätten. Bei einem 2018 erstmals initiierten Projekt der Südwestfalen Agentur GmbH sind daher bereits elf Firmen aus dem Kreis beteiligt. Das „Gap Year Südwestfalen“ will junge Menschen direkt nach Schule oder Studium einladen, die vielfältigen Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten der Region näher kennenzulernen. Ein Gap Year, übersetzt in etwa mit „Lückenjahr“, kann dabei durchaus als Alternative zu einem Auslandsaufenthalt oder einem Jahr der Orientierung gesehen werden. „1 Jahr, 3 Unternehmen, deine Zukunft“ ist das Motto und bietet neben drei hintereinanderfolgenden Praktika über das Jahr hinweg verschiedene Rahmenveranstaltungen, bei denen beide Seiten – Unternehmer wie Nachwuchskräfte – wertvolle Kontakte knüpfen können. Umfragen zeigen immer wieder, dass insbesondere der Fachkräftemangel für Unternehmer ein ganz entscheidender Risikofaktor ist, wenn sie ihre künftige Entwicklung planen wollen. Um dem entgegenzuwirken, wurde das Projekt „PERSPEKTIVE Südwestfalen“ ins Leben gerufen, bei dem man mit einer Regionalmarketing-Kampagne besonders diese ländlich geprägte, aber doch starke Industrieregion unterstützen will. Die Initiative wird mit EU-Mitteln aus dem Fonds für regionale Entwicklung gefördert. Im besten Fall gelingt es damit, auch den weniger bekannten Mittelstand im Kreis Olpe für junge Talente erlebbar zu machen. Spätere Vergleiche der Studienabgänger, die ja auch andere Konzernstrukturen oder Arbeitsformen kennenlernen werden, braucht man dann nicht zu fürchten, so sind sich die Initiatoren sicher.
Bürgermeister des Kreises Olpe beim ersten Spatenstich des Breitbandausbaus Ende 2017 in Neu-Listernohl (Foto: Kreis Olpe)
Großflächiger Breitbandausbau für schnelles Internet
Während bemitleidenswerte Brandenburger in launigen Fernsehreportagen verzweifelt ihr Handy hochhalten, um die Nachteile einer ländlichen Region zu verdeutlichen, wird im Kreis Olpe kräftig am schnellen Internet gebaut. Über 10.000 Haushalte, 46 Schulen und 27 Gewerbegebiete bekommen mit der aktuell laufenden Maßnahme bis Ende 2019 schnelles Internet. Durch den großflächigen Ausbau des Breitbandnetzes erreichen rund 98 Prozent der Haushalte in den Ausbaugebieten Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s, die übrigen zwei Prozent aber mindestens 30 Mbit/s. In Gewerbegebieten sind dank Glasfaserkabeln sogar mindestens 100 Mbit/s möglich. Der Spatenstich erfolgte Ende 2017 im Attendorner Ortsteil Neu-Listernohl. Einen zweistelligen Millionenbetrag investiert die Deutsche Telekom in das Projekt, bei dem fast 900 Kilometer Glasfaserkabel neu verlegt werden. Die Städte und Gemeinden im Kreis Olpe tragen einen Eigenanteil von insgesamt rund 690.000 Euro, das Land NRW gibt rund 4,45 Millionen Euro und der Bund übernimmt mit 5,14 Millionen einen Löwenanteil. Doch auch auf anderen Ebenen ist der Kreis auf Zack, wenn es darum geht, die Zukunft durch digitale Präsenz zu sichern: Im August konnte Landrat Frank Beckehoff einen Zuwendungsbescheid über 560.000 Euro zur Förderung des Breitbandausbaus aus der Hand von Wirtschafts- und Digitalminister Professor Dr. Andreas Pinkwart entgegennehmen. Es war das erste Mal, dass das Land nachträglich Fördersummen erhöhte, um Schulen mit Glasfaseranschlüssen zu versorgen. Wenn das Ministerium anstrebt, alle Schulen bis 2022 an Gigabitnetze anzuschließen, ist das ein guter Plan; wenn nun aber dank dieser Förderung ganz zeitnah 46 Schulstandorte im Kreis Olpe optimale Voraussetzungen für die digitale Bildung erhalten, ist das ein tolles Ergebnis.
Innovationen im Tourismus
Das gesamte Kreisgebiet Olpes liegt im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge. Wie wertvoll die intakte Landschaft ist, dessen war man sich hier schon immer bewusst. Die Zahlen der Tourismusbranche für den Kreis sind immer wieder vielversprechend. Noch bevor der besonders heiße Sommer 2018 überhaupt in Fahrt kam, übernachteten allein in der Zeit von Januar bis Mai dieses Jahres hier weit über 200.000 Gäste. Das ist ein Plus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von fast fünf Prozent. Darüber hinaus erfreut sich Olpe aber auch ausgesprochener Beliebtheit bei Tagesausflüglern. Statistisch werden nur die meldepflichtigen Gästeankünfte erfasst, trotzdem kann man davon ausgehen, dass die Besucherzahlen generell kontinuierlich ansteigen. Mit innovativen Konzepten sind es gerade Jungunternehmer, die daran arbeiten, auch Zielgruppen anzusprechen, denen das normale Wandern oder ein Ausflug zu Atta-Höhle oder Karl-May-Festspielen nicht originell genug erscheint. Es ist kein Zufall, dass die erste Blob-Base ganz Nordrhein-Westfalens am Biggesee eröffnete. Beim Blobbing springt man von einem Sprungturm auf ein mit Luft gefülltes, im Wasser schwimmendes Gummikissen. Da angekommen, krabbelt man auf die andere Seite, um von dort hoch in die Luft katapultiert zu werden, sobald ein weiterer Springer auf dem Kissen landet.
Beim Geocaching die Schönheit der Region entdecken (Foto: Tim Friesenhagen)
Auf Schatzsuche wird jeder zum Wanderer
Der studierte Sozialarbeiter Stefan Lamers setzt seit einiger Zeit auf Geocashing, um insbesondere junge Touristen in die Region zu locken. Bei diesen modernen Schnitzeljagden bekommen die Teilnehmer ein kleines Gerät, das GPS-Signale empfängt. Allein über vorgegebene Koordinaten müssen sie sich in der freien Natur orientieren. An den einzelnen Stationen warten dann bestimmte Aufgaben. Nur wenn man die löst, gibt es die nächsten Zielvorgaben und es geht weiter. Am Ende wartet eine Schatzkiste, deren Inhalt individuell auf die jeweiligen Teilnehmer der Expedition abgestimmt wurde. Auch ein Logbuch ist da, in dem man seinen Erfolg dokumentieren kann. Letzteres verbleibt am Zielort, sodass spätere Finder sich ebenfalls eintragen können. Bei dieser Schatzsuche ist das Ziel eigentlich gar nicht das Wichtigste, sprichwörtlich kommt es viel mehr auf den Weg dahin an. Ganz bewusst haben die Geräte von Stefan Lamers auch keine Sim-Karte. „Ich möchte, dass die Leute nicht einfach googeln können, wo der nächste Spazierweg ist. Nein, es kommt darauf an, selbst eine gangbare Route zum Ziel und sich in der Natur zurechtzufinden“, so Stefan Lamers. Wasser, Feuer, Erde und Luft sind die wichtigen Menüpunkte auf seiner Webseite bigge-elements.de. „Ich liebe meine Region, finde sie toll und wollte das auch anderen Menschen nahebringen.“ Trends und Tradition stehen dabei nicht im Widerspruch zueinander. Wenn überall die Mode-Sportart Stand-up-Paddling praktiziert wird, dann natürlich auch auf dem Biggesee. Im Kreis versteht man es, aus dem, was man ohnehin vor der Tür hat, etwas zu machen. Da, wo einst Bahnlinien die kleinen Städte miteinander verbunden haben, wurden inzwischen Trassen stillgelegt. Radwege sind entstanden, die angenehm wenige Steigungen haben und daher für Fahrradfahrer jeden Alters geeignet sind. Auch Franz-Josef Göddecke ist hier immer wieder mit seiner Frau unterwegs. Er mag besonders die Strecke in Richtung Drolshagen oder den Sauerlandring. Doch der 67-jährige Wahl-Olpener achtet nicht nur auf die Schönheit der Umgebung, sondern auch darauf, ob es irgendwo eine Bedrohung für die Natur gibt.
Durch konsequenten Schutz die Natur des Kreises bewahren
Seit 34 Jahren ist er schon Vorsitzender bei der Kreisgruppe Olpe des Naturschutzbundes Deutschland e.V. (NABU). All die Jahre über genoss er in dieser Funktion besonders die kurzen Wege in seiner Gegend. „Während meine Frau es schätzte, dass wir in Olpe eine gute Anbindung an Schulen und Einkaufsmöglichkeiten hatten, fand ich es enorm praktisch, dass die Ämter zentral gelegen und gut zu erreichen waren. Bei der Unteren Naturschutzbehörde hatte ich nämlich öfter zu tun“, erinnert er sich. Viele Maßnahmen wurden hier ergriffen, wobei ein guter Teil davon auf die Initiative der Ehrenamtlichen des NABU zurückgeht. Ein Beispiel ist der sogenannte Fledermaustunnel, den Göddecke auch von seinen Fahrradausflügen kennt. Die Strecke von Finnentrop nach Wennemen war schon 1984 stillgelegt worden, durch den 689 Meter langen Tunnel führt seitdem ein attraktiver Radweg. Doch der Tunnel wird auch von Fledermäusen als Winterquartier genutzt. Die Tiere, die kein Fettdepot aufbauen können, müssen die nahrungslose Zeit möglichst im Winterschlaf verbringen. Der Tunnel wird nun regelmäßig in der Zeit von November bis Anfang April geschlossen, lediglich kleine Luken für die Tiere bleiben auf. Fledermaus ist nicht gleich Fledermaus. Franz-Josef Göddecke hat überhaupt in seiner Heimat schon viele verschiedene Arten entdecken können: „Wir haben die Zwerg-, Bart-, die Fransen- und natürlich die Wasserfledermaus in unserer Region, außerdem gibt es das braune Langohr, das große Mausohr, das graue Langohr, den Abendsegler, die Breitflügelfledermaus und gelegentlich auch die Rauhautfledermaus. Durch den öffentlichen Wirbel um den Fledermaustunnel wurde eine breitere Öffentlichkeit für diese Tiere sensibilisiert. Vor einigen Jahren war das noch anders. Ich erinnere mich an eine Familie, die Fledermäuse von ihrer Hauswand entfernte, weil sie die Tiere unheimlich fand. Im nächsten Jahr berichteten sie dann aber, dass sie plötzlich auf der Terrasse viel häufiger von Mücken gestochen würden“, so Franz-Josef Göddecke, wobei nur ein klitzekleiner Hauch von Schadenfreude seine Mundwinkel umspielt. Fledermäuse sind Insektenfresser.
Einzigartige Amphibienpopulation im ehemaligen Stupperhof (Foto: NABU)
Nicht mehr genutzte Industrie wandelt sich zum Biotop
Insgesamt ist Göddecke aber mit dem Umweltbewusstsein der Olper zufrieden. Und auch ganz persönliche Lieblingsorte hat er hier. Da gibt es einen ehemaligen Steinbruch bei Drolshagen. „Wir konnten den Stupperhof 1987 günstig erwerben, nachdem wir festgestellt hatten, dass sich dort eine vielfältige Amphibienpopulation angesiedelt hatte. Die Steinbruchsohle war so verdichtet, dass Tiere wie die Geburtshelferkröte, Grasfrösche, Salamander und Molche dort ideale Bedingungen vorfanden. Mit solchen Projekten kann man die so wichtige Artenvielfalt sichern.“ Als eine ehemalige Ortsnetzstation des Stromanbieters im Veischedetal vom Netz ging, hat der NABU sie übernommen und dort mit Nisthilfen für Fledermäuse und Vögel einen Artenschutzturm eingerichtet. „Wenn wir mal über die Grenzen unseres Kreises hinausblicken und Vergleiche anstellen, dann müssen wir uns wirklich nicht verstecken“, so Göddecke. „Erzähle ich beispielsweise auf einem Naturschutztreffen in Köln, dass es bei uns noch an jedem Bach eine Wasseramsel gibt, dann sagen mir die Kameraden dort, sie hätten bei sich noch nie eine gesehen. Auch Eisvögel leben hier im Kreis Olpe, das ist etwas Besonderes.“
Gute Infrastruktur und hohe Lebensqualität
Wichtige Zahlen darüber, wie gut es den Menschen in der Region geht, kommen jeweils im Februar von der IHK. Hier gibt es Unterschiede hinsichtlich der Entwicklung der Innenstädte und der Umsätze. Aus den aktuellsten Zahlen, die sich auf 2017 beziehen, geht hervor, dass Olpe eine Sonderstellung einnimmt. Die Kreisstadt erreichte eine Zentralitätskennziffer (ZKZ) von 130,9. Läge die Ziffer lediglich bei 100, so hieße das, der Einzelhandel würde nur die Kaufkraft binden, die vor Ort verfügbar ist. Da der Wert aber einiges darüber ist, kommen ganz offensichtlich viele Kunden aus anderen Kommunen her, um in Olpe ihr Geld auszugeben. Auch wenn die Stadt attraktive Einkaufsmöglichkeiten bietet, sind die Olper nicht allein auf das Angebot in ihrem Kreis angewiesen. Dank der verkehrsgünstigen Lage im Kreuzungsbereich der Bundesautobahnen A45 (Sauerlandlinie) und A4 (Aachen–Köln–Olpe) sind Ballungsräume wie auch die überregionalen Flughäfen problemlos zu erreichen.
Babyboom und medizinische Versorgung
Spitzenreiter NRW-weit ist der Kreis Olpe in Bezug auf die starke Zunahme der Geburten. Von 2016 bis 2017 verzeichnete man erstmals einen Anstieg um satte 10,4 Prozent. Nirgendwo im Bundesland sonst hat die Zahl der Geburten so zugenommen. In der Frauenklinik am Olper St.-Martinus-Hospital freute man sich anlässlich des jüngsten 50-jährigen Jubiläums sogar über einen regelrechten Babyboom. In der Attendorner Helios-Klinik sowie im Lennestädter St.-Josefs-Hospital sah das ähnlich aus. Neben der klassischen medizinischen Versorgung ist im Kreis in den letzten Jahren auch das Angebot an alternativen Behandlungsmethoden breiter geworden. Ganze 44 Heilpraktiker sind derzeit aktiv, es gibt privatärztliche Praxen mit besonderen Ausrichtungen. Auch für das Problem vieler ländlicher Regionen, die mangelnde ärztliche Versorgung kleiner Gemeinden, gibt es im Kreis ausgesprochen kreative Lösungsansätze. Hausarzt Stefan Spieren aus Hünsborn beispielsweise versucht, ein Netz von Filialen aufzubauen. Ärzte, die sich altersbedingt zur Ruhe setzen wollen, stellt er an, übernimmt den gesamten organisatorischen und bürokratischen Aufwand, sodass sich die Kollegen vor Ort nur noch um die Behandlung der Patienten kümmern müssen. Auch für junge Ärzte ist dieses Modell interessant. Sie brauchen sich nicht um die Finanzierung von Praxisräumen und -einrichtungen zu kümmern, außerdem steht ihnen bei Bedarf immer ein ärztlicher Mentor zur Verfügung. Auf Landesebene hat die Regierung von NRW gerade eine sogenannte Landarztquote eingeführt. Wer sich verpflichtet, zehn Jahre lang als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten, kann sich auf einen von 170 zusätzlichen Studienplätzen bewerben. Bundesweit gibt es einen Entwurf für einen Staatsvertrag mit ähnlichen Zielen. Diese Maßnahmen werden sich erst in vielen Jahren auswirken. Die Ideen des Olper Arztes greifen dagegen sofort.
Josefin, Steffen, Clemens, Kathrin und Lotte Maiworm (v.l.) leben gern im Kreis Olpe (Foto: Privat)
Menschen im Kreis Olpe
Neben einem bemerkenswerten Ideenreichtum scheint überhaupt eine kreative Ader kennzeichnend für die Menschen im Kreis zu sein. Kathrin Maiworm, die in vieler Hinsicht typisch ist, lebt das in mannigfaltiger Weise aus: Mitglied in allen Vereinen ist sie, egal, ob es um Dorfverschönerung, Singen, Sport oder den Karneval geht, sie war schon Schützenkönigin und arbeitet mit ihrem Mann in dessen Familienbäckerei, die es schon in der fünften Generation gibt. Auch hier wird gelebt, was die Olper Wirtschaft prägt. Bewährtes hat aus gutem Grund seine Berechtigung, Qualität geht vor Quantität und trotzdem ist man Veränderungen gegenüber offen. Bei Maiworms in der Backstube bedeutet das, dass zur Weihnachtszeit immer noch Omas alte Teigpresse zum Einsatz kommt, es heißt aber auch, dass moderne Geräte sicherstellen, dass es tagtäglich alle Backwaren frisch gibt. Keinen Laden hat der kleine Betrieb, sondern ein Team von Minijobbern, das die Produkte zu den Kunden nach Hause liefert. Die Probleme anderer Bäckereien im Land, die gegen die Konkurrenz der Discounter und Industriebäcker kämpfen, kennt man hier nicht. Der Laden läuft. Wenn Backstube und ihre drei Kinder es zulassen, malt die Drolshagenerin. Bei ihrer ersten Ausstellung wurde sie gefragt, warum sie so häufig Motive aus der Heimat wählt. „Wir haben hier so viele schöne Gebäude“ war ihre Antwort. „Wie schön es bei uns ist, das wird auch mir erst manchmal dann wieder bewusst, wenn ich sehe, wie andere Leute bei mir vor der Tür Urlaub machen. Tatsächlich möchte ich durch meine Malerei auch dazu beitragen, dass manche Schönheit unserer Region wieder mehr wertgeschätzt wird.“
Erschienen in: TOP MAGAZIN SAUERLAND 4/2018