Einfach Wohlfühlen 

Warum der Hochsauerlandkreis so viel Seele hat

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Foto: ©StockPhotoPro - stock.adobe.com

Als wir im Redaktionsmeeting saßen und darüber nachdachten, wie sich der Hochsauerlandkreis am besten porträtieren lässt, war schnell klar: Wir wollen weg von Ausflugszielen wie Freizeitparks oder Burgen, weil sie ohnehin bekannt sind. Ein neuer „Dreh“ musste her. Wir Sauerländer haben den Ruf,  bodenständig, ein wenig stur und naturverbunden zu sein. Der Hochsauerlandkreis ist mit fast 2.000 Quadratkilometern landesweit der flächengrößte Kreis. Gleichzeitig ist die Tourismusregion Sauerland die größte zusammenhängende Urlaubsregion in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt 56 Prozent der Fläche besteht aus Naturparks.

Nerv der Zeit
Auch Urlaubsgebiete müssen sich regelmäßig neu erfinden, sowohl für Touristen, als auch für Einheimische. Da war es für uns naheliegend, Ausschau nach neuen Projekten in der Region zu halten. Die Sauerland Seelenorte sind so ein Projekt, das vom Sauerland Tourismus aufwendig ausgearbeitet wurde und die Wandergebiete des HSK aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet, nämlich aus einem emotionalen. Das trifft ziemlich genau den Nerv der Zeit, sehnen wir uns doch nach nichts mehr, als nach Orten, an die wir uns zurückziehen können, uns wohlfühlen und ein Stück weit innehalten können. Die Seelenorte bieten dafür Inspirationen, sich entweder selbst ein Plätzchen auszugucken, mit dem man eine Geschichte verbindet und diesen immer wieder aufzusuchen, wenn wir einen Rückzugsort benötigen. Oder aber Neues zu entdecken und diese 43 (Seelen-) Orte zu erkunden.


Sabine Risse, Themenmangering Wandern und Gesundheit (Foto: ©Klaus-Peter Kappest)

Nach einem stressigen Arbeitstag hilft ein ausgiebiger Spaziergang am besten, um abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Viele von uns haben einen Ort, außerhalb der vier Wände, an dem sie sich wohlfühlen und mit dem sie etwas verbinden. Darum geht es auch bei den Sauerland-Seelenorten, einem neuen Projekt der Sauerland-Wanderdörfer. Die Seelenorte sollen uns dabei helfen, etwas Neues zu entdecken und dabei wieder eine Verbindung zu uns selbst zu bekommen. Durch lebendige Stille. Sabine Risse war bei dem Projekt federführend.

TOP: Frau Risse, es gibt bislang 43 Sauerland-Seelenorte und ebenso viele Geschichten dazu. Ein echtes Mammutprojekt, in dem ganz offensichtlich sehr viel Herzblut steckt. Erzählen Sie mal: Wie ist die Idee entstanden? 

Sabine Risse: Die Idee ist aus einer Zusammenarbeit der Sauerland-Wanderdörfer mit den Verantwortlichen des Regionale-Projekts 2013 „Wege zum Leben“ entwickelt worden. Als erstes Produkt ist dabei das Magazin „Sommerlicht“ entstanden. Hier zeigen sich die Sauerland-Wanderdörfer erstmals von einer sehr emotionalen Seite mit Fotos und Texten des Fotografen Klaus-Peter Kappest. Das Magazin wurde von den Gästen sehr gut angenommen und so hat sich die Idee entwickelt, über das EFRE-Projekt „Sauerland.Inspiration“ die Projektergebnisse aus „Wege zum Leben“ praxisnah im Wanderbereich umzusetzen. Es fehlten jedoch die Geschichten und Gefühle, die diese Wanderregion emotional aufladen.

TOP: Für diese Geschichten haben Sie dann Erzählpaten gesucht …

Sabine Risse: Richtig. Im laufenden Prozess waren circa 150 Personen involviert. Uns war es wichtig, dass die Seelenorte von den Menschen vor Ort vorgeschlagen wurden und auch zukünftig belebt werden. Daher haben in jedem der sieben Sauerland-Wanderdörfer von Februar bis Juni 2017 drei- bis vierstündige Workshops mit Vertretern aus Kultur, Tourismus, Wandervereinen, Kirchen und Heimatarbeit stattgefunden. Hier wurde eine erste Auswahl an kraftvollen/spirituellen Orten getroffen. Im Sommer/Herbst 2017 haben dann Ortsbegehungen mit einem ganz speziellen Wahrnehmungsspaziergang stattgefunden. Zu jeder Ortsbegehung wurde eine ausführliche Dokumentation der Gespräche und Geschichten erstellt. Daraus wurde anschließend eine Potenzialanalyse angefertigt. Auf einem gemeinsamen Akteurstag im Februar 2018 wurden alle Sauerland-Seelenorte den Akteuren aus den Sauerland-Wanderdörfern vorgestellt. Anschließend fand in einem Kreativworkshop eine Vertiefung der an den Orten gefundenen Qualitäten, Netzwerken und Verbindungen der Orte untereinander statt. Darüber hinaus wurde den Akteuren erstmals der Autor der Geschichten Michael Gleich vorgestellt.

TOP: Wer ist Michael Gleich?

Sabine Risse: Mit Michael Gleich konnte ein Autor gefunden werden, der seine Wurzeln im Sauerland hat und heute als Journalist, Buchautor und Moderator in Berlin lebt und seine Heimat über das Projekt neu entdecken durfte. Er hat jeden Sauerland-Seelenort persönlich besucht, mit den Erzählpaten gesprochen und daraus seine ganz persönliche Geschichte geschrieben.

TOP: Täusche ich mich oder sind die Geschichten tatsächlich esoterisch angehaucht?

Sabine Risse: Wie kommen Sie denn darauf? Das Projekt hat eben überhaupt keinen esoterischen Touch. Wir haben Plätze gefunden, die alle tief verwurzelt sind mit den Menschen vor Ort und dabei eine ganz besondere, aber keinesfalls esoterische Energie ausstrahlen. Es sind Orte, die durch ihre Erzählpaten lebendig werden und von der ureigenen Seele des Sauerlands berichten.

TOP: Welche Orte zeichnen die Seele des Sauerlands aus und warum?

Sabine Risse: Das kann ein Gotteshaus sein, wie die auf einer alten Kultstätte erbaute Kapelle in Wormbach, aber auch ein Gedenkort der einstmals mühseligen und gefährlichen Arbeit, wie der Philippstollen bei Brilon. Auch die Almequellen, aus denen sprudelndes Leben aufsteigt, der sagenumwobene Hollenfelsen bei Bödefeld, der historische Freiluft-Gerichtsort „Freistuhl“ in Düdinghausen oder ein Steinbruch in der Nähe der Peperburg bei Grevenbrück sind solche kraftvollen Orte. Sie atmen Geschichte und Geschichten, Erinnerungen und Empfindungen von Menschen aus früheren Zeiten und berühren damit die Wanderer.

TOP: Welche Orte haben Sie am meisten beeindruckt?

Sabine Risse: Die Frage ist tatsächlich sehr schwer zu beantworten, da alle Seelenorte ganz unterschiedlich in ihrer Art sind. Sehr berührt haben mich die Geschichten eines Erzählpaten auf dem Kohlberg in Kirchhundem genauso wie die Himmelssäulen, die 120 Jahre alten Douglasien in Medebach-Glindfeld. Dies sind mit 63 Metern wohl die größten Lebewesen im Sauerland und man möchte gerne wissen, was sie wohl schon alles gesehen und erlebt haben. Erstaunt war ich auch über die Erlebnisse des Erzählpaten an der Staumauer am Diemelsee, die so ein Bauwerk auf einmal lebendig werden lässt. Immer wieder beeindruckend ist auch der Goldene Pfad auf der Hochheide genauso wie der Kyrill-Pfad in Schanze. Aber eine ganz besondere Gastfreundschaft erfährt man bei einem Besuch bei der Erzählpatin Renate Hill an der Eiche im Ohl in Willingen und einer anschließenden Wanderung mit ihr.

TOP: Bislang sind es 43 Stationen, eine ungerade Zahl. Wann werden weitere Stationen hinzukommen und wie geht es generell mit dem Projekt weiter?

Sabine Risse: Jetzt gilt es zunächst, jeden einzelnen Sauerland-Seelenort weiterzuentwickeln. Wo es passend ist, soll es kleine Veranstaltungen geben und die Erzählpaten, die wir für fast jeden Seelenort gewinnen konnten, sollen Gästen ihren Ort näherbringen. Wir möchten die Gastgeber ermuntern, ihren Gästen von diesen Orten zu erzählen. Wir haben als Partner ja nun auch die Sauerländer Wandergasthöfe stark mit eingebunden. Außerdem haben wir von jedem Seelenort eine besondere Geschichte über den Autor Michael Gleich schreiben lassen. Diese Geschichten sollen auf den Seelenort neugierig machen und die Gäste auffordern, selbst dorthin zu wandern und den Ort auf sich wirken zu lassen. Angedacht ist auch, die Orte mit relativ unauffälligen Markensteinen zu markieren. Es kann gut sein, dass im Laufe der Zeit weitere Sauerland-Seelenorte hinzukommen. Das ist allerdings nicht sofort angedacht. Denn jeder Sauerland-Seelenort hat im Lauf des Prozesses auch eine sehr intensive Findungsgeschichte durchgemacht.