Cineastischer Luxus
Sauerländer Kinos unter den Top 100 der Lieblingskinos der Deutschen.
In letzter Zeit bilden sich wieder vermehrt Schlangen vor den Kinos im Sauerland. Nachdem im vergangenen Jahr noch von einem Negativtrend und rückläufigen Besucherzahlen die Rede war, erfreuen sich die Kinos so langsam wieder einer größeren Beliebtheit. Das Onlineportal Moviepilot.de hat in einer Umfrage die Top 100 der Lieblingskinos der Deutschen ermittelt. Und siehe da! Darunter sind auch Kinos aus dem Sauerland, nämlich das JAC Kino in Attendorn, das Filmtheater Winterberg und das Apollo Service-Kino in Altena. Wir gratulieren!
JAC Kino Attendorn
Seit Anfang der 90er-Jahre hatte Attendorn kein Kino mehr. Mit dem neuen JAC Kino hat Betreiber Johannes Cordes das geändert. „Für uns ist es wichtig, auch bei uns auf dem Land allen die Möglichkeit zu geben, in der Nähe in ein Kino zu gehen“, sagt er. Doch was zeichnet so ein nagelneues Kino eigentlich aus? Welche Bedürfnisse haben die Kinobesucher von heute? Johannes Cordes stand dem TOP Magazin Sauerland Rede und Antwort.
TOP: Sie haben den Schritt gewagt, ein neues Kino zu eröffnen, obwohl 2018 die Besucherzahlen gesunken sind. Was hat Sie zu diesem Entschluss bewogen?
Johannes Cordes: Meine Freundin und ich brennen für das Kino und sind uns sicher, dass es keinen besseren Ort gibt, einen Film zu sehen. Man trifft und unterhält sich und schaut dabei noch einen tollen Film. Was kann es Besseres geben? Die Planungen für den Neubau haben natürlich schon vor 2018 begonnen und im Kino ist es nun mal so, dass je nach Film die Besucherzahlen von Jahr zu
Jahr schwanken.
TOP: Welche Ansprüche haben heutige Kinobesucher und wie haben Sie sie erfüllt?
Johannes Cordes: Wir glauben, dass unsere Kunden gerne eine persönliche Betreuung durch freundliche Mitarbeiter wollen. Dazu faire Preise für gute Qualität, bequeme Stühle und moderne Technik. Kurz: Sie wollen sich wohlfühlen und etwas erleben. Dafür haben wir unser gesamtes Kino gemütlich gemacht. Alle Säle sind unterschiedlich gestaltet, keiner ist gleich. Farben, Stühle, Lampen und Technik sind in jedem Saal individuell. Es gibt Sofas für zwei, gemütliche Ohrensessel und Starmoves, in denen man sich wie der Captain der Enterprise fühlt. Alle Reihen haben extraviel Beinfreiheit, es gibt Reihen mit Fußhockern, welche mit Tischen und eigene Logen. Natürlich haben wir auch für alle, die kein besonderes Sitzerlebnis wollen, Stühle eingebaut. Diese sind aber trotzdem mit einer Reclinerfunktion ausgestattet, hier kann man die Sitzposition selbst anpassen. Das Foyer haben wir als Café ausgebaut, wo man sich auch mal ohne Film treffen kann. Kino muss sich von der heimischen Couch abheben. Große Fernseher oder gute Tonanlagen haben es auch dorthin längst geschafft. Aber so eine große Leinwand wie wir oder so viel Feuer im Ton hat dann doch keiner. Dafür haben wir Dolby Atmos verbaut, das Neuste, was der Kinomarkt hergibt. Außerdem einen RGB-Laser-Projektor, der der erste in unserer Region ist.
TOP: Was vermuten Sie, in welche Richtung werden sich Kinos weiterentwickeln (müssen)?
Johannes Cordes: Es ist schwer vorauszusagen, was die Besucher von morgen wollen. Zurzeit ist der Wohlfühlfaktor auf jeden Fall entscheidend. Die Kunden wollen was geboten bekommen neben dem reinen Filmgenuss. Live-Events wie Opern oder Übertragungen von diverseren Sport-Großereignissen werden immer öfter im Kino zu sehen sein. Kürzlich hatten wir eine Lesung im Kino mit Christine Westermann.
Filmtheater Winterberg
„Technik und Komfort sind die eine Seite“, sagt Joachim Wahle, „der persönliche Rahmen ist uns aber genauso wichtig.“ Gemeinsam mit seiner Frau führt Joachim Wahle das Filmtheater Winterberg bereits in dritter Generation.
TOP: Ihr Kino zählt zu den beliebtesten Kinos in Deutschland. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für diese Beliebtheit?
Joachim Wahle: Grund Nummer eins ist unserer Meinung nach der familiäre Charakter unseres Hauses. Seit 75 Jahren sind wir als Kino in Winterberg eine feste Institution. Es gibt kurze Dienstwege und lange Gespräche, wir legen großen Wert auf Persönlichkeit. Dazu haben wir uns das Image aufgebaut, technisch immer up to date zu sein. Nach der aktuellen Renovierung von Kino 2 und der Installation zweier neuer Projektoren neuester Bauart wird es in Deutschland nicht viele Kleinstadtkinos geben, die technisch besser aufgestellt sind als wir. Aber auch die Raumausstattung der Säle scheint gut gewählt zu sein. Viele unserer Gäste erklären uns immer wieder, wie schön doch unser Kino sei. Dieses Gesamtpaket der Wohlfühlatmosphäre – trotz aller Fehler, die wir natürlich auch täglich machen – ist es wohl, was für dieses positive Feedback gesorgt hat.
TOP: Sie haben das Kino-Gen, denn schon der Großonkel Ihrer Mutter besaß ein Kino. Was ist das Tolle an diesem Job?
Joachim Wahle: Zunächst ist es schön, aber auch gleichzeitig eine Herausforderung, ein kleines Familienunternehmen in der dritten Generation weiterzuführen zu dürfen. Das eigentlich Schöne ist aber, mitten unter Menschen zu sein, sie zwei Stunden aus dem Alltag herauszuführen und zu unterhalten. Es freut uns jeden Tag aufs Neue, wenn unsere Gäste begeistert oder berührt, mit Tränen in den Augen oder strahlendem Lachen aus den Sälen kommen.
Apollo Service-Kino Altena
Luxus und Gemütlichkeit pur, das bietet das Apollo Service-Kino in Altena. Bequeme Designerstühle, die sich dem Filmfan individuell anpassen, auf Wunsch gibt´s noch Kissen, Fußhocker und Kuscheldecken obendrauf. Jetzt noch ein leckeres Getränk oder einen Snack gefällig? Kein Problem, ein Knopfdruck genügt und schon werden die Bestellungen an den Platz gebracht! Ganz schön ungewöhnlich! Wir fragten bei Tanja Graumann nach, die das Kino gemeinsam mit Nicole Güldner betreibt.
TOP: Sie bieten ein Kino, das seinen Besuchern puren Luxus ermöglicht. Das ist ein Service, der für einen Kinobetreiber natürlich auch ins Geld geht. Warum halten Sie trotzdem daran fest?
Tanja Graumann: Wir haben schon immer Kino anders gemacht als unsere Mitbewerber. Und unser Erfolg sowie die stetig wachsenden Besucherzahlen und das grandiose Feedback unserer Besucher sind der Beweis, dass unser Konzept auch weiter auf lange Sicht Früchte tragen wird. Da nimmt man gerne Geld in die Hand. Nur wer investiert, wird seine Marktposition in der Kinolandschaft halten und ausbauen können. Man darf auch nicht vergessen, dass ein schönes und gutes Arbeitsumfeld für uns als Kinoteam wichtig ist, um mit Herzblut dabei sein zu können, schließlich verbringen wir sehr viel Zeit im Kino.
TOP: Sie bieten Snacks, aber auch „deliziöse Speisen“. Worum handelt es sich bei diesen Speisen konkret?
Tanja Graumann: Vom außergewöhnlichen Popcorn aus der Hamburger Popcorn-Manufaktur „Kates Popcorn“ bis zu frisch aufgebackenen Baguettes, die liebevoll belegt werden, bieten wir auch Klassiker wie Nachos in verschiedenen Saucen. Zurzeit testen wir eine Produktreihe von bretonischen Chips Brets. Wir halten stetig die Augen auf, um unser Angebot zu erweitern und zu verfeinern. Für die nähere Zukunft planen wir eine Erweiterung von kleinen Snacks, die es vor Beginn des Filmes auf Vorbestellung im Foyer geben wird. Dort werden wir ein Augenmerk auf frische und regionale Produkte legen, aber dies ist erst mal in Planung. Heimische Getränke, wie der Woodland Gin aus Lüdenscheid, Krugmann, die Märkische Spezialitätenbrennerei, sind ein fester Bestandteil in
unserem Sortiment.
TOP: Ihre cineastischen Dekorationen sind preisgekrönt. Wie hat man sich diese Dekorationen vorzustellen?
Tanja Graumann: Ja, wir haben erst in diesem Jahr den großen Warner Bros. „ES 2“ Marketing Preis in Gold gewonnen. Dieser Preis war mit 10.000 Euro dotiert. Wir konnten mit unserem Konzept die Fachjury überzeugen und uns gegen multiplexen und anderen Kinobetrieben durchsetzen. Wir haben einen eigenen Hausteaser gedreht mit Pennywise, der rund ums Kino und im Kino sein Unwesen treibt und direkt von der Leinwand aus in den Kinosaal spricht. Kann gerne auch noch mal im Netz angeschaut werden. Des Weiteren haben wir viele Hingucker in Handmade erstellt und Getränkeaufsteller in Form eines Papierschiffs mit der Aufschrift SS Georgie und mit Originalzitaten aus dem Buch „Es“ von Stephen King dekoriert. Gelbe Regenmäntel, Clownbilder, Steckbriefe und ein Buch als Bookart-Kunst mit dem Innenleben der Kanalisation von Derrie sowie eine Fotobox im Foyer boten unseren Kunden genügend Möglichkeiten für Selfies und coolen Bildern. Wer weiß, was wir als nächstes Projekt ins Visier nehmen – einfach überraschen lassen und uns auf der Kinoinsel besuchen.