Nachhaltigkeit im Bauwesen
Ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle Faktoren als tragende Säulen
Nachhaltiges Bauen bezeichnet einen Planungs- und Bauausführungsprozess und eine Nutzungsweise, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Das heißt, auf Bewahrung des Ökosystems und der Umwelt, auf den Nutzen für Mensch und Gesellschaft und auf Optimierung und Steigerung der ökonomischen Potenziale eines Gebäudes. Aufgrund der großen Bedeutung, die ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle Faktoren im Bausektor besitzen, integriert nachhaltiges Bauen diese Faktoren in ein Gesamtkonzept für das Bauwerk. Dabei werden die Faktoren als einander gleichwertig und miteinander in Wechselwirkung stehend betrachtet.
Nachhaltiges Bauen
Das nachhaltige Bauen bezeichnet eine ökonomische und ökologische Differenzierung des bisher in Deutschland unter der Bezeichnung des ökologischen Bauens verstandenen Begriff. Der Nachhaltigkeitsgedanke entstand bereits im 18. Jahrhundert in der Forstwirtschaft und wurde durch den Bergbauhauptmann Hans Carl von Carlowitz geprägt. Er erkannte einen Zusammenhang zwischen der aus massiver Rodung resultierenden Holzknappheit und negativen ökologischen und gesellschaftlichen Verhältnissen. Als Resultat seiner Beobachtungen forderte er einen sorgsamen Umgang mit der Ressource Holz, worunter er das ausgeglichene Verhältnis zwischen Anbau und Rodung des Holzes verstand.
Dieses Denken hatte Auswirkungen bis ins 20. und 21. Jahrhundert hinein. Die von den Vereinten Nationen gegründete Brundtland-Kommission formulierte 1987 das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung. Dieses Konzept sollte einen Wandlungsprozess initiieren, der auf negative Veränderungen in Natur und Klima und im Energie- und Ressourcenhaushalt mit der Forderung nach Generationengerechtigkeit reagiert. Damit wird eine Wirtschaftsweise propagiert, die neben ökonomischem Profit sowohl Umweltverträglichkeit als auch soziale Verantwortung einschließt und die Bedürfnisse jetziger mit denen kommender Generationen vereinbart.
Die Leitidee der Nachhaltigkeit basiert auf der Erkenntnis, dass Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft ineinander greifende Systeme sind. Die Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft erkennen zunehmend, dass ohne die Balance der Systeme der natürliche Lebensraum gefährdet ist und nicht länger für die Folgegenerationen gesichert werden kann. Auf dieser Idee basieren auch die Ziele des nachhaltigen Bauens.
Hoher Qualitätsanspruch
Ein nachhaltiges Gebäude zeichnet sich durch seine hohe ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle Qualität aus. Diese drei Aspekte bilden die drei Hauptsäulen der Nachhaltigkeit. Die sie charakterisierenden Kriterien werden nicht isoliert, sondern in einem Gesamtzusammenhang betrachtet. Ausgangspunkt und wichtige Voraussetzung, um objektive Aussagen über die nachhaltige Qualität eines Gebäudes machen zu können, ist die Betrachtung der gesamten Lebensdauer eines Bauwerks. Die Lebensdauer eines Gebäudes umfasst die Phasen der Planung, der Errichtung, der Nutzung, des Betriebs und des Abrisses beziehungsweise des Rückbaus.
Diese unterschiedlichen Phasen eines Gebäudes stellen gemeinsam seinen Lebenszyklus dar. Der Lebenszyklus bildet so den zeitlichen Rahmen zur Beurteilung der Nachhaltigkeit. Alle Phasen des Lebenszyklus müssen bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Gebäudes einbezogen werden. Der Nachweis der nachhaltigen Qualität eines Gebäudes erfolgt meist mittels einer Gebäudezertifizierung.
Säule Ökologie
Ökologie gilt als eine der drei Hauptsäulen der Nachhaltigkeit. Sie beinhaltet die Aspekte Ressourcenschonung, Schutz der globalen und lokalen Umwelt und Reduzierung des Gesamtenergiebedarfs des Gebäudes. Die Berücksichtigung dieser Faktoren ist aufgrund des Klimawandels, steigender Energiepreise und schwindender Ressourcenvorräte von großer Bedeutung. Diese ökologischen Kriterien bestimmen maßgeblich die nachhaltige Qualität eines Gebäudes: Flächeninanspruchnahme, Bauweise (Dauerhaftigkeit, Gebäudeform und Gebäudeorientierung), Baustoffe, Dämmung und Wärmeschutz sowie verschiedene Energieträger (Solarenergie, Geothermie, Biomasse und Anlagentechnik).
Säule Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit bildet eine weitere Säule der Nachhaltigkeit. Die Optimierung des ökonomischen Aspekts im Sinne der Nachhaltigkeit bedeutet im Bereich des Bauens, dass alle Phasen des Lebenszyklus des Gebäudes bei seiner ökonomischen Bewertung berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur konventionellen Planungs- und Bauweise erfassen Wirtschaftlichkeitsberechnungen im nachhaltigen Bauen nicht nur die Investitionskosten für den Bauprozess, d.h. seine Anschaffungs- und Baukosten. Vielmehr wird ein nachhaltiges Gebäude auf der Grundlage seines gesamten Lebenszyklus beurteilt. Die Kosteneffizienz eines geplanten Bauprojekts wird anhand einer sogenannten Lebenszykluskostenanalyse bewertet.
Diese Gesamtkostenberechnung umfasst folgende Faktoren: die Kosten für die Herstellung des Gebäudes, die auch die Grundstücks- und Planungskosten einschließt, d.h. die Investitionskosten, die Kosten der Baunutzung, die die Betriebskosten (d.h. den Medienverbrauch von Heizwärme, Warmwasser, Strom, Wasser, Abwasser) beinhaltet, und die gebäude- und bauteilspezifischen Kosten, etwa für Reinigung, Pflege und Instandhaltung. Darin inbegriffen sind auch die für den Rückbau notwendigen Aufwendungen, wie z.B. für Abriss, Abtransport, Wiederverwendung bzw. -verwertung und Entsorgung.
Säule sozio-kulturelle Faktoren
Die dritte Säule der Nachhaltigkeit von Gebäuden bilden sozio-kulturelle und funktionale Faktoren. Sie stellen die Grundlage für die Akzeptanz und Wertschätzung eines Gebäudes durch seine Nutzer und durch die Gesellschaft im Allgemeinen dar. Dabei werden soziale Werte wie Integration, Gesundheit, Lebensqualität, Sicherheit und Mobilität und ästhetisch-kulturelle Werte wie Gestaltung in das Baukonzept integriert.
Damit Menschen ihre Wohn- und Arbeitsumgebung als angenehm empfinden, müssen optimale Nutzungsbedingungen gelten. Diese werden im nachhaltigen Bauen durch Maßnahmen geschaffen, die vor allem die Anforderungen an den Gesundheitsschutz, die Behaglichkeit und die Nutzerfreundlichkeit erfüllen. Folgende Kriterien entscheiden über die sozio-kulturelle und funktionale Qualität eines Gebäudes: thermischer Komfort, Innenraumhygiene, akustischer und visueller Komfort sowie Sicherheitsaspekte (u.a. Alarmeinrichtungen, Brand- und Einbruchsmeldeanlagen, Ausleuchtung der Außenanlagen, übersichtliche Wegeführung, diverse Sicherheitskonzepte).
Freie Zugänglichkeit
Im Sinne der Integration behinderter Menschen in den Berufs- und Lebensalltag ist ein nachhaltiges Gebäude so konzipiert, dass behinderten Menschen die Nutzung des Gebäudes ohne fremde Hilfe möglich ist. Dies bedeutet etwa den Bau barrierefreier Eingangsbereiche und schwellenloser Raumübergänge. Zu diesem Qualitätskriterium zählt auch die Einrichtung behindertengerechter Arbeitsplätze, Parkplätze und ausreichender Bewegungsflächen, wie etwa ausreichend breite Flure sowie ausreichende Verfügbarkeit von Behindertentoiletten.
Die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz von Gebäuden innerhalb eines Stadtquartiers und der Stadt wird durch das Kriterium der Zugänglichkeit gesteigert. Diesem Konzept entspricht, dass ein Gebäude kein hermetisch abgeschlossenes Bauwerk darstellt, sondern dass Teile des Gebäudes möglichst vielen Nutzern offenstehen, wie etwa die Außenanlagen oder gebäudeinterne Bereiche wie Kantinen oder Bibliotheken. Nachhaltige Gebäudeplanung im Sinne sozio-kultureller Nachhaltigkeit gewährleistet auch die öffentliche Nutzung von Cafés, Restaurants oder Ateliers. Nachhaltiges Bauen strebt eine Mischnutzung dieses öffentlichen Raumes an, der sich leicht an eine veränderte Umnutzung anpassen lässt.
Steigerung der Mobilität
Zur Steigerung der ökologischen und energieeffizienten Mobilität wird bei einem nachhaltigen Gebäude eine gute Erreichbarkeit des Gebäudes mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) und mit dem Fahrrad erzielt. Die Fahrradinfrastruktur ist so konzipiert, dass eine ausreichende Anzahl an Fahrradabstellplätzen vorhanden ist. Diese werden optimal angeordnet, indem sie sich etwa in Nähe des Eingangsbereichs befinden. Außerdem stehen Dusch- und Umkleidemöglichkeiten für die Fahrradnutzer zur Verfügung. So wird die Attraktivität des Gebäudes gesteigert und gleichzeitig werden ökologische Anforderungen erfüllt.
Ästhetischer Aspekt
Im nachhaltigen Bauen spielt auch der ästhetische Aspekt eines Gebäudes eine große Rolle. Dies bedeutet die Integration des Gebäudes in städtebauliche und architektonische Konzepte. Die gestalterische und städtebauliche Qualität wird durch die Durchführung von Planungswettbewerben gewährleistet. Die Vorteile von Planungswettbewerben liegen zum einen in der Expertise der Jury, die die hohe architektonische Qualität des Bauprojekts sicherstellt. Außerdem wird durch sie gewährleistet, dass der Auftraggeber des Bauprojekts in einem transparenten Wettbewerbsverfahren einen gut geeigneten Auftragnehmer finden kann.
Neben dem klassischen Projektwettbewerb gibt es noch Ideenwettbewerbe, Testplanungen, Studienaufträge und partizipative Verfahren. Gemeinsames Ziel dieser Verfahren ist das Aufzeigen einer Varianz möglicher Lösungsansätze.
Ebenfalls qualitätssteigernd wirkt der öffentliche Diskurs über Bauprojekte. Einerseits werden in Fachzeitschriften Projekte besprochen und so um Konsens gerungen, was gestalterische Qualität ausmacht, andererseits sind Vereine wie z.B. der Bund Deutscher Architekten (BDA) ein Qualitätsindikator für gute Architekten.
Kunst am Bau
Auch die Kunst am Bau besitzt schließlich eine wichtige Rolle zur Steigerung der baulichen Qualität eines Gebäudes. Kunstwerken kommt die Aufgabe zu, einen direkten Bezug zwischen Ort und Bauobjekt zu schaffen und so die Akzeptanz und Identifikation der Nutzer mit dem Gebäude zu stärken. Ebenso gelten sie als Schnittstelle zwischen Gebäude und Öffentlichkeit. Dementsprechend werden Aspekte, wie ihre Funktion gegenüber der Öffentlichkeit, z.B. in Veranstaltungen oder Führungen kommuniziert.