Als ich meine erste Panikattacke hatte, dachte ich, ich würde sterben

Volkskrankheit Depression: US-Rocksänger Jonathan Davis (Korn) im Interview

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Rocksänger Jonathan Davis kämpft seit Jahren gegen Depressionen. (Foto: WMG)

Mit mehr als 35 Millionen verkauften Alben zählt die US-amerikanische Rockband Korn zu den einflussreichsten Bands der Gegenwart. Seit 25 Jahren gibt es das Quintett bereits, bis heute spielen Korn in ausverkauften Konzerthallen. Das Geheimnis ihres Erfolgs? Sänger Jonathan Davis thematisiert in seinen Texten ganz offen seine persönlichen Erfahrungen, dazu zählen vor allem seine Depressionen. Damit Menschen nicht aufgrund dieser und anderer psychischer Erkrankungen stigmatisiert werden, sondern Hilfe bekommen, setzt sich der Frontman in unterschiedlichen Kampagnen für sie ein. Interessant zu wissen: Auch jeder fünfte Deutsche erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Depression; pro Jahr leiden ungefähr 4,9 Millionen Menschen an dieser behandlungsbedürftigen Erkrankung. Bei uns finden Betroffene Unterstützung, beispielsweise über die Website der Deutschen Depressionshilfe. In den USA geht man in Sachen Aufklärung und Hilfestellung noch einen Schritt weiter: Vor einigen Jahren wurde dort die „You Rock Foundation“ gegründet. Prominente Musiker, die selbst unter psychischen Erkrankungen leiden oder gelitten haben, sprechen in Interviews offen über ihre Probleme – und werben so für Toleranz, aber auch für die Musik als Ventil und Motivation, um mit mentalen Schwierigkeiten zurechtzukommen.

TOP Magazin: Sie haben sich gegenüber der „You Rock Foundation“ offen zu ihren
psychischen Erkrankungen geäußert. Wie kam es dazu?

Jonathan Davis: Auch mir geht es um Aufklärung und Akzeptanz. Menschen, die mentale Probleme haben, sollten damit nicht alleine gelassen werden. Als ich meine erste Panik-attacke hatte, dachte ich, ich würde sterben. 

TOP Magazin: Sie sprechen aus Erfahrung, sind selbst als Teenager gemobbt worden und hatten lange Zeit Selbstmordgedanken. Inzwischen haben Sie Ihre eigene Kampagne „Be different“  gestartet und ein Shirt mit dem Schriftzug „Freaks Do It Better“. Was möchten Sie mit dieser Kampagne konkret erreichen?

Jonathan Davis: „Freaks Do It Better“ ist eine Herzensangelegenheit von mir. Der Erlös geht komplett an Stiftungen, die sich gegen Mobbing engagieren und Menschen mit Selbstmordgedanken Hilfe anbieten. Mit der Kampagne möchte ich um Toleranz werben und darauf aufmerksam machen, wie sehr Betroffene unter ihrer Situation leiden. Aus diesem Grund wird es demnächst weiteres Merchandising geben. 

TOP Magazin: Angenommen, es hätte eine solche Aktion schon in Ihrer Jugend gegeben. Hätte sie Ihnen geholfen?

Jonathan Davis: Auf jeden Fall. Mir hätte es schon geholfen, einfach nur jemanden zu haben, mit dem ich sprechen kann. Der sich für mich interessiert und der mir das Gefühl gibt, verstanden zu werden. Bekanntlich hatte ich so jemanden nicht. Deshalb hoffe ich, mit dieser Kampagne Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben zu können, dass ihnen jemand zuhört. Schließlich bin ich selbst Vater.  

TOP Magazin: Psychische Erkrankungen begleiten Sie bereits während Ihrer gesamten Musikerkarriere. Welchen Einfluss haben sie auf Ihre Musik?

Jonathan Davis: Einen großen. Der Song „Rotting in Vain“ auf unserem aktuellen Album „The Serenity Of Suffering“ handelt beispielsweise von dem Gefühl, in unangenehmen Lebenssituationen festzustecken. Das ist, wie permanent an einem sehr dunklen Ort zu sein. Bis du weißt, wie du da wieder herauskommst, dauert es oft Jahre. Währenddessen sitzt man einfach da und rottet vor sich hin. 

TOP Magazin: In Ihren Songs thematisieren Sie immer wieder, dass Sie –aufgrund Ihrer Depressionen – Schwierigkeiten mit dem Alleinsein haben. Was passiert, wenn niemand bei Ihnen ist? 

Jonathan Davis: Dann kommen wieder die düsteren Gedanken. Das ist sehr unangenehm, und wenn jemand da ist, dann kann ich mich ablenken, kann die Gedanken unterbrechen. 

TOP Magazin: Sie haben verschiedene Behandlungsmethoden gegen Depressionen ausprobiert. Was hat Ihnen am meisten geholfen?

Jonathan Davis: Ich kann jetzt besser einschätzen, wann ich eine depressive Phase bekomme, und frühzeitig gegensteuern. Die Musik hilft mir dabei; auch meine Kinder sind eine große Stütze für mich. Depressionen sind etwas wirklich Schlimmes. Mir ist bewusst, dass ich diese Erkrankung niemals ganz loswerde. Aber ich habe gelernt, mit ihr zu leben. 

TOP Magazin: Seit einigen Jahren liegt Mental-Coaching sehr im Trend. Welche Erfahrungen haben Sie damit
gesammelt? 

Jonathan Davis: Von Coaching halte ich gar nichts, das ist nicht mein Ding. Wenn das anderen Menschen hilft, ist das schön für sie. Ich bin jemand, der Probleme mit sich selbst ausmacht. 

TOP Magazin: Sie selbst nehmen Medikamente, machen spezielle Übungen und eine Therapie. Was raten Sie Menschen, die unter Depressionen leiden? 

Jonathan Davis: Ein Ventil zu finden, um die negativen Dinge in ihrem Kopf auszudrücken. Musik hat die Macht, Dinge zu verändern. Sie kann als Antidepressivum wirken. Probiert es aus!