So geht Spirituosenherstellung im Sauerland
(©azerbaijan_stockers auf Freepik)
Ob Likör, Vodka, Gin oder Whisky: Sauerländer wissen hochwertige alkoholische Spezialitäten zu schätzen, und das nicht erst seit gestern. Kein Wunder, sind hiesige Destillerien doch teilweise seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten im Herzen des Sauerlands ansässig und tätig. Spricht man mit Brennerei-Betreibern in der Region, erfährt man mitunter interessante Informationen über die sehr alte Tradition des Brennprozesses. Hier gibt es Einblicke in die Welt einiger Schnapsbrennereien, ihre Geschichten und die Herstellung von Sauerländer Gin.
Über 150 Jahre Tradition: Destillatmanufaktur Bojcum
Im Gespräch mit dem Arnsberger Destillateur und Parfümeur Walter Bojcum wird schnell klar, wie stark das Brennerei-Handwerk in Teilen des Sauerlands verwurzelt ist: „Unsere Familie stellt bereits seit 1851 Wacholderschnäpse in eher kleinen Mengen her. Anfänglich produzierten wir nur für den regionalen Bereich. Ab 1918 stellten wir auch einen Kräuterwacholder her, der in Apotheken verkauft wurde. Seit einigen Jahren sind verschiedenste Gins Teil unseres Portfolios. Die Sauerländer Herkunft zeigen wir auch in der Benennung unserer Erzeugnisse“, betont Bojcum bei einem Gespräch in seiner Destillerie. Besagter Kräuterwacholder, der „Arnsberger Juniperus + Destillat“, geht auf eine lange Tradition zurück. Möglich war und ist das bis heute auch, da im Sauerland viele Wacholder-Vorkommen zu finden sind. Übrigens: Um überhaupt in Deutschland ein Brennrecht zu bekommen, müssen übrigens mindestens drei Hektar Anbaufläche in eigenem Besitz sein. „Dennoch kann jeder eine Brennerei eröffnen – auch dann, wenn er die Kriterien für ein Brennrecht, also drei Hektar und andere, vielleicht nicht erfüllt! Mehr Informationen dazu erhält man beim deutschen Zoll“, verrät Walter Bojcum.
„Als Basis für die Gin-Herstellung verwenden wir eine Mischung aus einem einfachen Wacholder- und Korndestillat. Diese Basis wird dann noch durch zwölf weitere Destillate angereichert. Im Laufe des Brennprozesses entsteht dann sowohl bei unserem „Black Swan Arnsberg Dry Gin“ und allen anderen Gin-Sorten, die wir herstellen, ein stimmiges Geruchs- und Geschmacksbild. Unser fertiges Destillat wird komplett natürlich ohne chemische Farbstoffe und Ingredienzien hergestellt. Alle Botanicals zur Herstellung von Wacholder und Gin in unserer Brennerei sind komplett organischer Natur. Das führt gelegentlich zu geringfügigen Geschmacksabweichungen, aber genau das zeichnet ein natürliches Produkt eben aus“, erläutert Bojcum vor seiner Destillationsanlage aus Kupfer und Edelstahl. Kupfer hat eine katalysierende Wirkung, treibt also den Destillationsprozess voran. Würde man seine 1989 hergestellte Anlage heute neu beschaffen, wäre ein sechsstelliger Preis womöglich nicht unrealistisch. Allein das zeigt, wie sehr eine hochwertige Anlage mit all ihren ineinandergreifenden Elementen zu einem ebenso hochwertigen alkoholischen Getränk beiträgt.
„Es gibt sehr gute Brennereien im Sauerland und viele haben ein breites Spirituosenangebot. Wir als Familie Bojcum sind jedoch sehr stolz darauf, dass wir ausschließlich Wacholder- und Gin-Spirituosen sowie Gin-Liköre auf der Basis eigener traditioneller Rezepturen herstellen. Wir können nicht alles, aber wir können Kräuterwacholder und können Gin, und das können wir gut.“ Da die Brennerei direkt im Herzen Arnsbergs auf der Königstraße liegt, welche von vielen üppigen Haselnussbäumen flankiert wird, kam Bojcum zudem auf die Idee, einen leckeren Haselnusslikör zu produzieren. Viele der Haselnüsse werden allerdings auch aus Spanien oder der Türkei importiert. Der Grund: „Um circa fünf Liter Nussschnaps herzustellen, benötige ich etwa acht Kilogramm Nüsse. Nüsse sind Ölfrüchte und nicht sonderlich ergiebig, weshalb nur mit einer recht großen Menge, Zeit und Freude am Destillieren ein genüsslicher Nussschnaps entstehen kann“, berichtet Bojcum.
Schnapsbrenner aufgepasst!
Wie macht man eigentlich Schnaps? Wie läuft der Produktionsprozess ab? Wie funktioniert die Destillation?
Das hängt unter anderem von der Art des Getränks ab. Hier der Beispielprozess für die Herstellung eines Wacholder-Gins in wenigen Schritten:
- Für „Wacholderschnaps“ (auch als „Gin“ bekannt) benötigt man zuerst eine Maische. Diese Mischung aus Getreide (in diesem Fall Korn), Gemüse oder Obst und Wasser wird mit sogenanntem Gärspund und Hefe versetzt und sorgfältig unter gleichmäßigem Rühren erhitzt. Durch diese Prozedur entstehen verschiedene Alkohole, die allerdings nicht alle genießbar sind. Deshalb müssen im Laufe des Destillationsprozesses ungenießbare und giftige Alkohole erst vom nutzbaren Trinkalkohol (Ethanol) getrennt werden. Aber wie kommt das Wacholder-Aroma jetzt eigentlich in den Gin? Dafür gibt es mehrere Optionen. Eine Möglichkeit ist die sogenannte Perkolation: Der Alkohol entzieht dem Wacholder seine Aromen und nimmt diese auf.
- Der entstandene Geist steigt durch das „Geistrohr“ in Form von Dampf in die sogenannte „Kolonne“, auch „Verstärker“ genannt. Darin steigt der heiße Dampf nach oben, kondensiert dort und fließt herunter auf sogenannte Siedeböden, wo das Alkohol-Wasser-Gemisch konzentriert wird. Dies erlaubt außerdem die Filterung unerwünschter Geruchs- oder Geschmackskomponenten und sorgt für ein Konzentrat mit 80 bis etwa 85 Prozent Alkoholanteil.
- Jetzt steigt der verdichtete Dampf in den Kühler, wo er noch weiter konzentriert wird. Um hier letztendlich nur den Trinkalkohol zu gewinnen, macht man sich unterschiedliche Siedepunkte verschiedener Alkohole zunutze: Der sogenannte „Vorlauf“ (circa 80 °C) enthält unter anderem ungenießbare Essigsäureethylester sowie Methanol und riecht häufig nach Klebstoff. Das Ziel ist der sogenannte „Mittellauf“ (zwischen 81 und 90 °C), also der trinkbare Alkohol, der frei von ungewollten Fremdstoffen ist. Der „Nachlauf“ (ab etwa 90 °C) enthält beispielsweise minderwertige Fuselöle und schmeckt sehr dumpf und muffig.
- Zu guter Letzt muss der erzeugte Wacholderschnaps reifen. Dafür werden häufig Edelstahlbehälter verwendet, da diese den Geschmack nicht verfälschen. Um letzte unerwünschte Aromakomponenten im wahrsten Sinne des Wortes „verfliegen“ zu lassen, hat der Wacholderschnaps dabei Kontakt zur Luft. Letztendlich entsteht so ein vollkommen natürlicher und ergiebiger Gin.
Preisgekrönt und weltweit erfolgreich: Woodland-Spirituosen
Viele für Spirituosen übliche „Botanicals“, wie Pflanzen und Kräuter in der Branche häufig bezeichnet werden, wachsen vielerorts in der Region. Das weiß auch Dr. Moritz Dimde, Geschäftsführer der Sauerland Distillers GmbH aus Lüdenscheid: „Das Sauerland hat so viele Pflanzen und Kräuter zu bieten, dass es fast schon fahrlässig wäre, sie nicht für hochwertige Getränke zu nutzen. Der Markenname ‚Woodland‘ drückt diese Naturbezogenheit und die eigene Sauerländer Herkunft aus. Unser ‚Woodland Sauerland Dry Gin‘ kombiniert zum Beispiel Löwenzahnwurzel, Brennnsessel, Fichtensprosse und Sauerampfer zu einem unverkennbaren Sauerländer Dry Gin.“
Mit diesem 2017 auf den Markt gebrachten Gin haben die Lüdenscheider sogar die große Weltbühne erobert. Die Krönung: 2018 war dieser Gin auf Weizenbasis vermutlich der am höchsten und meisten ausgezeichnete Gin weltweit. Noch intensiver kommen die Sauerland-Botanicals bei dem „Woodland Navy Strength“-Gin zum Tragen, der auf Fassstärke gebrannt ist und daher noch waldiger schmeckt. Dieser Gin ist trotz seines Alkoholgehalts von 57,2 Prozent mit seinem immer noch samtweichen Abgang pur genießbar.
Beliebt ist mit dem „Woodland Pink Gin“ auch eine farblich und geschmacklich auffällige Variante. Dieser Gin stellt den Geschmack heimischer Himbeeren, Schwarzer Johannisbeeren, Grapefruit sowie Holunderblüten in den Vordergrund und kommt völlig ohne Zuckerzusätze oder künstliche Aromen aus. Der „Woodland Slate Vodka“, eine Neukreation des Spirituosen-Start-ups, macht sich neben regionalem Weizen und Kartoffeln auch die über Jahrtausende entstandene Bodenstruktur und das durchsickernde, sehr weiche Quellwasser zunutze. Eine Alternative stellt der ebenfalls erst jüngst vorgestellte „Woodland Herb Liquor“ dar, der als Kräuterlikör über die bereits die Woodland-Gins prägenden Sauerland-Botanicals hinaus zudem eine Prise Whiskey und Vanille beinhaltet.
Vom Hobbyprojekt zur preisgekrönten Destille: die Sauerländer Edelbrennerei
Dass auch relativ „junge“ Destillen erfolgreich sein können, zeigt die Sauerländer Edelbrennerei aus Rüthen-Kallenhardt. Die Ursprünge gehen auf die späten 90er-Jahre zurück, als Ulrich Wolfkühler mit Freunden Brennereien in Süddeutschland besuchte. Da die Spirituosen bei ihm allerdings Übelkeit aufgrund zu schwacher Brennprozesse hervorriefen, entstand die Schnappsidee, selbst bessere Brände zu kreieren.
Mit der offiziellen Gründung im Jahr 2000 begann eine Reise, die noch lange nicht am Ende ist. Nach den ersten zehn Jahren als Hobby ist die Entscheidung zu weiteren Schritten durch die steigende Nachfrage aufgrund von prämierten Qualitäten sehr schnell gefallen. Heute leitet ein junges Team aus Dr. Thomas Lesniowski, Julian Wellhausen und Julius Vosloh die Destillerie: „Wir stehen für hochwertige Produkte aus hochwertigen Sauerländer Rohstoffen!“
2016 konnte ein saniertes historisches Sägewerk als neue Produktionsstätte bezogen werden. Genussliebhaber können in Führungen und Tastings einen Einblick in die Brennerei bekommen. Im neuen Eventraum werden eigene preisgekrönte Brände und Geiste wie Gin, Liköre und Whiskys verköstigt.
Die Qualitäten des Sauerlands mit seiner überregional bekannten Natur werden auch durch qualitative Spirituosen nach ganz Deutschland und oft auch bis in die weite Welt exportiert. Wer als Sauerländer Genussmensch nach schmackhaften Bränden sucht, muss dafür nicht weit Ausschau halten: Vielfältige Liköre, Schnäpse, Gins oder zum Beispiel Whiskys werden direkt in der Region von gleichsam erfahrenen wie motivierten Destillateuren hergestellt, die – in einem gewissen Sinne – sehr für die Herstellung einzigartiger Spirituosen brennen. Guter Geschmack lässt sich also leicht mit einer Unterstützung regionaler Brennereien verbinden. Da bleibt nur eines zu sagen:
„Wohl bekomm’s!“