Donnerstag, 28 März 2024

Zukunft heute! Die Top 10 der Megatrends.

Teil 1: Urbanisierung

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(Foto: 123rf.com)

Einmal tief durchatmen und willkommen in der Zukunft. Entspannt, wenn wir an das Thema Zukunft denken? Ganz im Gegenteil – irgendwie scheinen wir am Limit angekommen zu sein. Alles ist dabei sich zu wandeln, vieles ist schiefgelaufen – wie geht es jetzt weiter? Veränderung birgt Unbekanntes, liegt abseits der Komfortzone – und das ist nicht so richtig beliebt.  Und doch ist es nicht so unangenehm, wie man denken könnte, denn wir sind wirklich schon in der Zukunft angekommen und diese ist besser als ihr derzeitiger Ruf.

In den nächsten Ausgaben des top Magazins werden wir Ausblicke und Einblicke gewähren, wo Zukunft in unserer Region schon stattfindet, was sie Gutes bringt und wie wir in ihr leben können. Wie wird sich unser Leben positiv verändern?

Resonanz
Das Zauberwort unserer Epoche, ein Schlüssel, der uns die vielen Phänomene der Gegenwart erschließen kann, ist Resonanz. Sie ist die Grundlage unserer Beziehungen mit anderen Menschen und mit der Welt. Wir haben von mehr Demokratie geträumt und Facebook bekommen. Wir wollen uns selbst verwirklichen und stellen fest, dass wir auf einen Datensatz reduziert werden. Es reicht uns heute nicht mehr, erfolgreich und produktiv zu sein, wir wollen ein schönes, sinnerfülltes Leben führen. Wir hoffen insgeheim, dass das, was ist, künstliche Intelligenz und Automatisierung, nicht alles sein kann. Und dann ist es passiert: Mitten in der Digitalisierung kehrt das Sinnliche, das Anfassbare und Sensible an die Macht zurück, und zwar als ein Megatrend. Und was ist ein Megatrend? Es ist ein Trend, der als „Blockbuster“ des Wandels langfristig alle Bereiche von Gesellschaft, unseres Weltbildes und der Wirtschaft und damit unser Denken und unsere Werte prägt. Er wirkt über Jahrzehnte. Ein bekanntes Beispiel so eines Megatrends, der als zartes Pflänzchen vor fast 40 Jahren begann, heißt heute Neo-Ökologie. Ausgelöst durch Umweltverschmutzung und Naturkatastrophen gründeten sich 1980 „Die Grünen“. Die Jungs und Mädels mit ihrem flegelhaften Benehmen, angeführt von Joschka Fischer in weißen Turnschuhen, wurden damals belächelt. Heute hat sich die Art und Weise des grünen Denkens sehr verändert: Es gibt jede Menge Hightech, die im grünen Sinne wirkt. Denken wir an Solar und E-Mobilität, an Wasserstofftechnik oder Recycling – Natur und Technologie wachsen zusammen.

Megatrend Urbanisierung
Damit wachsen auch Stadt und Land zusammen, denn Städte dehnen sich aus, wenn städteähnliche Strukturen auf dem angrenzenden ländlichen Gebiet geschaffen werden. Das Ländliche wird zu einem Teil der Städte und die Stadt rückt näher zum Land.
Städte sind die Zentren in unserer globalisierten Welt – hier entwickelt sich das kulturelle Leben. Hier finden kreative Menschen zusammen und hier entstehen technologische Innovationen. Auch das soziale Leben verändert sich, weil die Bewohner wieder Sehnsucht nach Resonanz haben – weg von der Anonymität – hin zu Gemeinschaft. So gibt es ganz viele Megatrends, die heute schon Einzug in unsere Gesellschaft gehalten haben. Die Basis für ein angenehmes Leben ist Hygge.

Info:
Hygge kommt von „hug“ – Die Umarmung. Dieser Begriff, den wir mancherorts noch als Wohntrend aus Skandinavien in Erinnerung haben, wurde sogar schon in den Duden aufgenommen – es ist mehr als ein Trend. Es ist das Wohlleben des 21. Jahrhunderts.

Das Wohlleben des 21. Jahrhunderts
Im Wesentlichen ist „Hygge“ eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens gemeinsam mit netten Leuten genießt. Es ist auch das Ende der Maßlosigkeit, der Verzicht auf Konsum: lieber weniger kaufen, dafür Qualität. Daraus entwickelte sich das Sharing: Wir teilen Mobilität, wir teilen Urlaubswohnraum (Airbnb ist großer erfolgreicher Vorreiter), wir teilen Arbeitsplätze, Plattformen, Geschäftsmodelle und ungenutzte Ressourcen. Entweder wird von zu Hause gearbeitet oder in Coworkingspaces. Die Idee der flexiblen gemeinschaftlichen Büronutzung mit Vernetzung ist heute schon sehr beliebt, um seine Geschäfte in angenehmer Atmosphäre zu erledigen. Hier trifft man Leute, teilt mit ihnen leidenschaftlich Ideen und Visionen, findet Dinge, die man nicht gesucht hat und erlebt eine Inspiration, die Projekte wachsen lässt.
Mit Co-Gardening, dem Begrünen von öffentlichen Flächen als Gemeinschaftsprojekt, sind schon wunderschöne Gärten entstanden, wie am alten Berliner Flughafen Tempelhof, Gemüsebeete oder gar Weinanbau auf den Dächern von Paris und Amsterdam.
Man sieht, das Analoge ist wieder gefragt. Hoch im Kurs stehen dabei Wohnzimmer-Gespräche oder Konzerte, gemeinschaftliches, gesundes Kochen mit regionalen, naturbelassenen Lebensmitteln oder das Brot Backen. Man lebt nachhaltig, sprich mehrere Personen nutzten ein Produkt und auch bei der Kindererziehung steht man nicht alleine da, sondern sucht sich Gleichgesinnte.
Immer mehr Probleme in den Städten werden von den Bewohnern selbst gelöst, da Verantwortung übernommen wird.

Internationales Städteparlament
Glokal ist die Regionalisierung des Globalen. In den Städten und Gemeinden, und nicht mehr auf national-politischer Ebene, entscheidet sich heute die Zukunft der Demokratie. Bürgermeister und Regionalpolitiker sind die Boten einer Bewegung für neue Mobilität, Inklusion und Umweltschutz. Die Welt hätte heute schon einen besseren Klimaschutz und moderne Mobilität, würde sie von Bürgermeistern regiert. Sie haben heute ein viel besseres Image als unsere Bundespolitiker, einfach weil sie Probleme schneller lösen. Darin steckt eine ungeheure Energie des Wandels.
Mittlerweile gibt es so etwas wie den Städtebund, die „vereinigten Städte der Welt“ – zum gemeinsamen Austausch und um gemeinsam Probleme zu lösen. Über 60 Städte aus 30 Ländern gehören diesem Parlament an, davon sind drei aus Deutschland: Heidelberg, Köln und Mannheim. Dass der kurze Dialog schon Früchte trägt, zeigt das Beispiel des Nachtbürgermeisters. So hatte Amsterdam als erste Stadt einen Nachtbürgermeister, der sich ausschließlich um das Nightlife kümmert. Er vermittelt zwischen Clubs, Stadtverwaltung und Anwohnern. New York hat diese Idee ganz schnell aufgegriffen, und jetzt gibt es auch in Mannheim als erster deutschen Stadt einen „Chef für die Nacht“.

Die innovative Provinz
Wenn Städte sich ausdehnen und Stadt und Land zusammenwachsen, dann wird auch die Provinz eine Renaissance erleben. Obwohl die Stadt als Lebenskonzept für viele attraktiv ist, zieht es dennoch Menschen auf das Land, weil sie die Natur lieben, mehr Platz benötigen, sich selbst verwirklichen und ankommen möchten oder weil der Wohnraum dort noch etwas preiswerter ist. Damit zieht Weltoffenheit ins Dorf und das Land ist nicht mehr provinziell. Es bietet auf der grünen Wiese die komplette Infrastruktur einer Stadt: Ärzte und Krankenhäuser, Einkaufszentren, Sportstätten, gute Schulen – es gibt einfach alles, so berichtet das Zukunftsinstitut in einer großen Studie. Hierbei sind nicht die geschmacklosen, durchbetonierten Gewerbeparks gemeint. Zudem ist die Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel zu Metropolen und Großstädten einfach und schnell. Schon heute gibt es Gemeinden, die diesen Trend erkannt haben. Sie schaffen durch eine neue moderne Architektur sowie Kunst und Kultur ein attraktives Umfeld. Die Provinz wird „designt“, das Ländliche erfindet sich neu. Somit ist der ländliche Raum kein Jammertal mehr und alles andere als dem Untergang geweiht. In vielen Provinzen, wie in Südtirol, im Burgenland, im nordhessischen Waldeck oder am Kaiserstuhl, prägt eine neue Landarchitektur das attraktive Landschaftsbild.
„Leben, wo andere Urlaub machen“, lautete der Werbeslogan der 2.000-Seelen-Gemeinde Ascha in Bayern. Und das nicht nur wegen der idyllischen Lage, sondern auch, weil die Gemeinde stolz darauf ist, ihren eigenen, grünen Strom zu produzieren. Energiegewinnung mit Bürgerbeteiligung oder als Kooperation mit anderen Gemeinden in Form von Biokraftwerken oder Solaranlagen ist ein Beispiel für erfolgreiches lokales Bürgerengagement für Energie und Klimaschutz.
Auch die Gebiete um Kufstein und Kitzbühel sind eine Vorzeigeregion für modernes Leben. Neben vielen Start-ups, innovativer Gastronomie und kreativer Kultur wurde hier in Erl ein futuristisches Festspielhaus gebaut.

Dorf mit Zukunft
In Hitzacker an der Elbe bauen Menschen, die sich in einer Genossenschaft zusammengetan haben, ein neues Dorf der Zukunft für 300 Menschen. Sie schaffen eine Perspektive für junge Familien, für Zugereiste und Geflüchtete, fürs Älterwerden – und das im ländlichen Raum. Ökologisch, sozial, basisdemokratisch. Im Europa der vielfältigen Kulturen entsteht dort ein Ort des gemeinsamen Wohnens, Arbeitens und Lebens. Auch hier entsteht ganz bewusst Resonanz mit verbindlicher Nachbarschaft und größtmöglichen Freiräumen.
Viele dieser Leuchtturmprojekte in den provinziellen Regionen sind inspiriert von einstigen „Dorfkindern“, die in die Welt hinauszogen und dann irgendwann in die Heimat zurückkehrten. In einer Studie stellt das renommierte Zukunftsinstitut fest: „Die Renaissance eines Ortes braucht charismatische Bürgermeister, aus den Großstädten zurückgekehrte und Vielgereiste, die ihre Wurzeln wiederentdecken. Die Heimkehrer bringen Impulse und Kapital in den Ort und verändern das Klima in Richtung Zukunft.“ Davon ist Matthias Horx vom angesehenen Zukunftsinstitut überzeugt.

Frei und mobil
Und wie bewegen wir uns fort, von der Provinz in die Stadt? Wie bewegen wir uns dann in der Stadt – etwa Busfahren? Das ist die bange Frage, die sich die Menschen heute stellen. „Wird es jetzt unbequem? Was ist mit meinem geliebten Auto? Fahre ich mit dem E-Scooter zum Businesstermin?  Da kann auch „Drei Wetter Taft“ nichts mehr ausrichten – dann noch mehr Chemie in die Haare? Oder gar ein Kurzhaarschnitt?“ – das will Frau wissen. Oder gibt es einfach einen Wandel in der Mode? Wo bleiben meine Einkaufstaschen, wenn ich Shoppen gehe?  Das alles sieht nach großen Einschränkungen aus – ist aber in Wirklichkeit eine Erleichterung.
Eine beruhigende Botschaft hinterlässt der internationale Zukunftskongress in Aachen, #MC2032, initiiert von Dr. Günther Schuh, Professor und Visionär an der RWTH Aachen. Gemeinsam mit dem Who’s Who der deutschen Wirtschaft betonte er, dass die Technik für eine umweltfreundliche Mobilitätskette schon existiert, verbunden mit einem benutzerfreundlichen Netzwerk, das uns lückenlos von A nach B bringt. Das Schöne daran ist, da ist sich Günther Schuh sicher, die Menschen werden es lieben, weil es auf eine angenehme Weise das Leben vereinfacht. „One Click to Order“ heißt das Zauberwort. Jetzt müssen es die Menschen nur noch nutzen. Sicher, wir lieben die Freiheit, den Status, Luxus und die Bequemlichkeit, die wir mit dem Automobil verbinden. Warum sonst sind so viele SUVs unterwegs, warum gibt es immer größere Kreuzfahrschiffe, vom Fliegen ganz zu schweigen. Wir kennen es auch nicht anders. In der Stadt und den Vororten kann man sich jedoch auch heute schon anders behelfen. Die jüngere Generation ist Vorreiter in Sachen Mobilität – viele haben gar kein Auto mehr. Man kann auch jetzt schon in urbaner Umgebung mit Bus, Bahn und Mietauto Termine wahrnehmen und im Sommer bei gutem Wetter mit dem E-Bike sogar gestylt ankommen.
Business-Termine macht man heute schon immer öfter mit dem Zug. Das ist sehr bequem, weil dort bei Besprechungen während der ganzen Fahrt am Konferenztisch auch Essen und Getränke serviert werden. Die Reisezeit wird effektiv genutzt. Man trifft sich zuvor auf Pendler-Parkplätzen, da man aus unterschiedlichen Richtungen kommt. In naher Zukunft schon fährt man aus der Umgebung, auch mit einem konventionellen Auto, in ein Parkhaus am Rande der Stadt, das als ein Verteilerzentrum für Mobilität circa 4.000 Autos aufnimmt. Dann steigt man um in einen e.GO Mover. Das sind kleine, schicke Erlebnisweltbusse für circa 15 Personen. Die Kunden werden unabhängig von Haltestellen eingesammelt, je nachdem wo sich der Bus gerade befindet. Somit wird eine nähere Erreichbarkeit gewährleistet. Oder man nimmt ein E-Auto aus dem Car-Sharing wie der e.GO Life. Der e.Go wurde auf dem Campus in Aachen konzipiert und wird jetzt auch in Aachen gebaut. Bis zu 45 Fahrzeuge werden hier in Zukunft pro Tag fertiggestellt. Oder man bucht ein E-Taxi um in die Stadt zu kommen. Menschen in der Stadt benutzen zusätzlich E-Bikes und E-Scooter. Auch die Städtekonzepte verändern sich. So hat sich auf dem Ring um Madrid eine neue Gastronomieszene etabliert, weil dort das Parken mit dem eigenen Auto kostenlos ist. Als eine der ersten Kommunen in Deutschland hat Monheim am Rhein einen Gratis-Nahverkehr eingeführt. Houten bei Uetrecht in den Niederlanden ist die erste autofreie Modellstadt. Hier mag niemand mehr gerne Auto fahren, ebenso wie in Kopenhagen hat sich das Fahrrad als Verkehrsmittel für alle durchgesetzt.
E-Mobilität wird unser Leben so nachhaltig verändern und erleichtern, wie das Smartphone. Deshalb wird dieser Megatrend in der nächsten Ausgabe gesondert vorgestellt.

Metropolitan Cities
Und dann gibt es an der RWTH in Aachen diesen Professor, der die Stadt der Zukunft bauen möchte. Da Professer Dr. Schuh schon viele Visionen verwirklicht hat, ist sicher, dass es sich hierbei auch um keine Träumerei handelt. Doch unweigerlich tauchen die ersten Fragen auf: Ist es eine neue Stadt, auf der grünen Wiese geplant, hochtechnisiert und mit glücklichen Bewohnern? Es soll auch noch eine Metropolitan City werden, also eine Stadt mit mehr als 10 Millionen Einwohnern. Wer soll da leben? Wo gäbe es so viel Freifläche?
Es gibt sie schon. Das ehrgeizige Projekt ist die Vernetzung und Mobilisierung geografisch verteilter Orte, aus welchen eine vereinte europäische Modellmetropole mit einzigartigem Charakter entstehen soll. Inspiriert durch die Initiatiive „Rhein-Ruhr City 2032“, die von Michael Mronz gegründet wurde, bewirbt sich die Region als Austragungsort für die Olympischen Spiele. Hier wird die Mobilitätswende als Metropolregion verfolgt und umgesetzt.
Dieses riesige Gebiet von Aachen bis Dortmund wird dann durch E-Mobilität „On Demand“ lückenlos zu bereisen sein. Dabei kann man die Zeit sinnvoll nutzen, um zu arbeiten oder sich über die Region zu informieren – oder einfach ein Buch zu lesen. Für die vielen kleinen Orte, Gemeinden, Städte und Unternehmen ist das eine große Chance. Die Einbindung innovativer Unternehmen und Start-ups wird die Attraktivität des Lebens- und Arbeitsraumes steigern.
Diese Stadt der Zukunft ist nachhaltiger, sauberer, sicherer und intelligenter als als je eine zuvor. Vollvernetzt bietet sie vielseitige Lösungsansätze für aktuelle Herausforderungen, wie etwa das Klima oder ein zunehmendes Verkehrsaufkommen. Insbesondere das „Internet der Dinge“ spielt hier eine wegweisende Rolle, da es Geräte, Programme und Nutzer miteinander vernetzt: In der Metropolitan City kommunizieren Autos mit Häusern, Häuser und Dinge, wie zum Beispiel Pakete, mit digitalen Geräten, und diese wiederum mit den Bewohnern der Stadt. Sogar eine mitdenkende Straßenbeleuchtung ist ein Bestandteil der Zukunft. Sie kann mit Sensoren ihre Helligkeit danach ausrichten, ob und wie viele Fußgänger den Bereich passieren und gleichzeitig damit Energie sparen. In Deutschland werden smarte Beleuchtungskonzepte, beispielsweise in Karlsruhe, durch das Pilotprojekt SMIGHT, eine Kooperation zwischen der Stadt und SAP – oder auch das Projekt „Future Living Berlin“, eine Zusammenarbeit mit Panasonic, umgesetzt.
Die Zukunft ist wirklich besser als ihr Ruf. Vieles wird unser Leben erleichtern, so wird es einen neuen Luxus geben: entspannt unterwegs sein, das Internet der Dinge nutzen, das manches ganz automatisch für uns erledigt, damit wir wieder Zeit haben, um das Gute des Lebens gemeinsam mit netten Leuten zu genießen.
Beate Schneider

»    In der nächsten Ausgabe lesen Sie: Megatrend Mobilität