Stimmt so!
Wie viel Trinkgeld ist eigentlich üblich?
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Zehn Prozent: Das ist nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands seit Jahren mehr oder weniger der Trinkgeld-Standard in deutschen Restaurants und Bars. Doch geben die Gäste tatsächlich so viel? Unsere Recherchen unter Stuttgarter Gastronomen zeigen ein anderes Bild. „Vor Corona waren es in der Regel zwischen drei und fünf Prozent Trinkgeld, mittlerweile erfährt der Service mehr Wertschätzung und kommt meist auf fünf bis acht Prozent, ab und zu auch mehr, nur wenige geben gar nichts.“ sagt zum Beispiel Michael Wilhelmer, der in Stuttgart mehrere Lokale und das Festzelt „Wilhelmer’s Schwabenwelt“ auf dem Cannstatter Wasen betreibt. Eine Einschätzung, die auch von vielen anderen hiesigen Gastronomen geteilt wird. Auf dem Volksfest sei es stimmungsbedingt durchaus etwas mehr, bei Firmenbewirtungen gebe es dagegen häufig nichts, wenn sich etwa der Chef frühzeitig verabschiede und die Bezahlung einem seiner Mitarbeiter überlasse. Auch Italiener geben in der Regel nichts, weil sie es aus ihrer Heimat, wo man schon fürs „coperto“ einen Obulus bezahlt, nicht anders gewohnt sind. Zur weit verbreiteten Praxis in der Gastronomie gehört es außerdem, dass das Trinkgeld in eine Teamkasse fließt und dann geteilt wird, damit alle Servicekräfte und auch die Küche etwas davon abbekommen.
Und wie sieht es bundesweit aus? Laut einer Studie der Neobank N26, für die das Meinungsforschungsunternehmen Civey 10.000 Teilnehmer befragte, gaben 59 Prozent der Befragten die eingangs genannten zehn Prozent. 22 Prozent der Befragten beließen es bei 5 Prozent, 12 Prozent gaben dagegen sogar 20 Prozent und nur drei Prozent keinen Cent. Fast jeder zweite Großstädter – das unterstreicht auch das Statement von Michael Wilhelmer – zeigte sich in der Pandemie spendabler als vorher, im direkten Vergleich waren die Berliner und Hamburger etwas großzügiger als die Münchner, Düsseldorfer, Frankfurter und Stuttgarter.
Grundsätzlich gibt es keine Trinkgeld-Pflicht, dessen ungeachtet gehört es für viele Menschen zum guten Ton, Beschäftigten der Dienstleistungsbranche auf diese Weise ihre Zufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Geiz ist in diesem Fall also nicht unbedingt geil – erst recht nicht in den USA, wo Trinkgeld Teil des Lohns ist. Ganz anders in Japan: Exzellenter Service gilt dort als selbstverständlich und Trinkgeld demnach fast schon als Anmaßung.
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die im „Journal of Hospitality & Tourism Research“ im Juni 2021 veröffentlichten Ergebnisse einer experimentellen Studie der Hochschule Fresenius. Untersucht wurde dabei der Effekt von Gratisgetränken in der Gastronomie auf die Höhe des Trinkgelds für das Servicepersonal. Der Studie liegt die These der Reziprozität zugrunde, wonach jeder Empfänger einer Gefälligkeit unter dem Druck steht, diese zu erwidern. Für das Experiment boten die Kellner insgesamt 640 Tischgesellschaften entweder während des Essens, gleichzeitig mit der Rechnung oder als Kontrollgruppe erst nach dem Bezahlen einen kostenlosen Schnaps an. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gäste dann am meisten Trinkgeld geben, wenn der Absacker zur Rechnung serviert wird. Wohl bekomm’s!